Für Müll sind alle verantwortlich

Claudia Krieg findet, für Vermeidung von Müll braucht es keinen »Knigge«

  • Claudia Krieg
  • Lesedauer: 2 Min.

»Schimpfen hilft nicht«, rufe ich der älteren deutschen Dame zu, die am Landwehrkanal steht und zetert. »Verdreckt und zugemüllt« sei Neukölln mittlerweile, meckert sie angesichts der Berge von Pizzakartons und sonstigen Einwegverpackungen, die sich am Sonntagmorgen um eine Laterne herumgruppieren wie eine Kunstinstallation. So einen euphemistischen Blick auf die Unmengen von menschlichen Hinterlassenschaften im öffentlichen Raum habe ich natürlich nicht wirklich. Aber ich ziehe mittlerweile wie früher als Kind auch mal mit einer Mülltüte los und sammle auf dem Spielplatz, der in der Pandemie zum Jugendtreffpunkt umfunktioniert wurde, Bierdosen und Scherben ein. Und ganz ehrlich, hier am Kanal haben sich Menschen zumindest die Mühe gemacht, all das zusammenzutragen und an einem Ort abzulegen, was ihnen den vorangegangenen Abend verschönert hat. Das ist in vielen Parks nicht so. Und genauso wenig rea᠆gieren die laut der neuen Entmüllungsinitiative besonders betroffenen Bezirke Mitte und Neukölln auf die Ausmaße liegengelassener Tüten, Flaschen, Becher, Dosen, Verpackungen und voller Babywindeln.

Dazu kommen die vor die Tür gestellten kaputten Möbel, Bücher, Kleidungsberge, Kinderspielzeuge. Es gibt in ganz Berlin kein sinnvolles Sperrmüllkonzept, aber es gibt einen ellenlangen Bußgeldkatalog, laut dem man für ein ausgespucktes Kaugummi 120 Euro zahlen soll. Der ist leider genau so eine lächerliche Maßnahme, wie ein »Park-Knigge«, mit dem die Initiative »Wir Berlin« die ihrer Ansicht nach fehlenden Müllkontrollen ersetzen will. Man könnte auch erst einmal mit größeren und sinnvoll aufgestellten Mülleimern operieren, die öfter abgeholt werden. Ja, das kostet Geld, und Bezirke und Stadtreinigung müssen aufstocken. Aber es ist sinnvoller eingesetzt und appelliert an die Eigenverantwortung der Menschen - die man dann vielleicht in Parks darauf hinweisen kann, diese Mülleimer auch zu benutzen, statt mit Strafen zu drohen. Das ist nämlich nur für Möchtegern-Sheriffs eine schöne Aufgabe, und die brauchen wir in Berlin wirklich nicht.

App »nd.Digital«

In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!