Kollektives Versagen bei Wirecard

Untersuchungsausschuss übergibt Abschlussbericht an Bundestagspräsident Schäuble

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 2 Min.

Nach rund achteinhalb Monaten Arbeit hat der Wirecard-Untersuchungsausschuss am Dienstag seinen Abschlussbericht an Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) übergeben. Seit Oktober versuchte das Gremium des Bundestages, Licht ins Dunkel um den Bilanzskandal des mittlerweile insolventen Finanzkonzerns zu bringen. Die Parlamentarier*innen befragten dafür rund 100 Zeug*innen - neben Manager*innen und Wirtschaftsprüfer*innen unter anderem auch Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) sowie Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). Am Freitag debattiert der Bundestag über den Abschlussbericht, dessen Veröffentlichung ein ehemaliger Bilanzprüfer von Wirecard juristisch verhindern will.

Jahrelang galt Wirecard als neuer Star am Börsenhimmel. Im September 2018 schaffte das junge Finanzunternehmen die Aufnahme in den Dax, den Club der 30 größten deutschen Aktiengesellschaften. Kritik an Wirecard und erste Berichte über angebliche Manipulationen wurden zunächst beiseite gewischt. Doch vor einem Jahr brach das Kartenhaus zusammen. Anfang Juni 2020 stellte die Bankenaufsicht Bafin Anzeige wegen des Verdachts auf Marktmanipulation. Am 25. Juni 2020 meldete Wirecard Insolvenz an, nachdem bekannt geworden war, dass 1,9 Milliarden Euro, die in der Bilanz ausgewiesen waren, schlicht nicht existierten. Wirecard-Chef Markus Braun trat zurück und kam in Haft. Ex-Vorstandsmitglied Jan Marsalek wird mit internationalem Haftbefehl gesucht.

In der Koalition herrscht nun Streit darüber, wer versagt hat. Der Obmann der Unionsfraktion im Wirecard-Untersuchungsausschuss, Matthias Hauer (CDU), nannte am Dienstag den Skandal ein »multiples Aufsichtsversagen unter den Augen des Finanzministeriums«. So hatte die Bafin das Unternehmen bei den ersten Verdächtigungen mit einem Leerverkaufsverbot geschützt. Die SPD kritisierte bereits früher, dass Wirtschaftsminister Altmaier die Wirtschaftsprüferaufsicht Apas nicht unter Kontrolle hat. Schließlich waren es auch die Wirtschaftsprüfer, die jahrelang die Lücken in der Bilanz übersahen.

Im Sumpf der Lobbyisten - Aert van Riel zum Abschluss des Wirecard-Ausschusses

»Niemand hat im Wirecard-Skandal - diesem Krimi made in Germany - die politische Verantwortung übernommen«, kommentierte Linke-Obmann im Ausschuss Fabio De Masi den Ausgang der Untersuchungen auf Twitter. Bereits Anfang Juni präsentierte sie eine Fraktion zusammen mit Grünen und FDP ein Sondervotum zum Abschlussbericht. Die drei Oppositionsparteien attestierten darin ein »kollektives Aufsichtsversagen«.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!