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Kein echter Testlauf für 2022
Rechtsextreme gingen bei der Regionalwahl in Frankreich leer aus. Aufwind für Sozialisten und Republikaner
Bei der Regionalwahl in Frankreich, deren zweiter Wahlgang am Sonntag stattfand, musste die rechtsextreme Bewegung Rassemblement National von Marine Le Pen eine deutliche Niederlage hinnehmen. Sie konnte keine der 13 Regionen des Landes für sich gewinnen, auch nicht die Region Provence-Alpes-Côte-d’Azur, wo ihr Spitzenkandidat Thierry Mariani im ersten Wahlgang an erster Stelle vor dem bisherigen rechtsbürgerlichen Regionalratspräsidenten Renaud Muselier gelegen hatte. Den haben aber diesmal alle anderen Parteien unterstützt, um so die Gefahr von Rechtsaußen abzuwehren. Die bisherige Verteilung der 13 Regionen Kontinentalfrankreichs - sieben für die Rechten, fünf für die Sozialisten und Korsika für die Nationalisten - blieb erhalten. Nur in Übersee gab es eine Kräfteverschiebung, denn die Präsidentschaft der vor der ostafrikanischen Küste gelegenen Insel Réunion wechselte von den Republikanern zu den Sozialisten.
Rekordhoch war die Zahl der Wahlenthaltungen, denn wie im ersten Wahlgang blieben 66 Prozent der eingeschriebenen Wähler der Urne fern. In Umfragen nannten die Wahlverweigerer als Gründe vor allem Verdrossenheit über die aktuelle Politik und über die Politiker allgemein. Viele Franzosen kennen auch nicht die - dem Gesetz nach recht begrenzten - Kompetenzen der Regionen und sehen keine Notwendigkeit, sich für sie zu engagieren. Immer wieder war zu hören, dass man auf die Präsidentschaftswahl 2022 warte. Da wollen die meisten Franzosen wieder ihre Stimme abgeben und damit den künftigen Kurs des Landes mitbeeinflussen, zumal durch die Verfassung von 1958 der Präsident größere Rechte und Kompetenzen hat als die Staats- und Regierungschefs der meisten demokratischen Staaten.
Die extrem schlechte Wahlbeteiligung schwächte auch das rechtsextreme Rassemblement National (RN), denn viele der jungen und der sozial benachteiligten Franzosen, die das Gros ihrer Anhängerschaft stellen, blieben der Wahl fern. Marine Le Pen machte dafür am Wahlabend das »Kesseltreiben der linkslastigen Medien« und die »widernatürliche Front« rechter wie linker Kräfte gegen ihre Bewegung verantwortlich. Marine Le Pen ist überzeugt, dass sich ihre Anhänger in zehn Monaten, wenn sie bei der Präsidentschaftswahl gegen Macron antritt, stark engagieren werden. Diese Einschätzung teilen auch viele Politikexperten, die davor warnen, die Niederlage der RN überzubewerten.
Mit den Ergebnissen der Regionalwahl und der damit verbundenen Wahl der Räte der 101 Départements des Landes zeichnet sich ab, dass die früher dominierenden linken und rechten Parteien der Sozialisten und Republikaner, die bei den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen 2017 vernichtend geschlagen wurden, wiedererstarken und mit Macht in die politische Arena zurückdrängen. So konnten die drei rechten Regionalratspräsidenten Xavier Bertrand, Valérie Pécresse und Laurent Wauquiez, durch den Zugewinn von Wählerstimmen ihre Positionen stärken. Alle drei bewerben sich um die Kandidatur der Republikaner für die Präsidentschaftswahl 2022. Links zeigt sich mit der sozialistischen Ratspräsidentin der Region Occitanien, Carole Delga, die das beste Ergebnis aller linken Regionen erzielt hat, bereits eine natürliche Gegenspielerin. Die »Renaissance« der Sozialisten und der Republikaner ist ein Zeichen dafür, dass sich die »Weder-links-noch-rechts«-Strategie von Präsident Emmanuel Macron nicht durchsetzen konnte und dass sich die meisten Franzosen nach wie vor entweder dem linken oder dem rechten Lager zugehörig fühlen. Davon zeugt der deutliche Misserfolg der von Macron 2016 gegründeten Bewegung La République en marche (LREM), die zwar im Parlament die Regierungsmehrheit stellt, bei der Regionalwahl aber keine nennenswerte Rolle spielte und bestenfalls zur Mehrheitsbeschafferin für die Rechte taugte.
Die Regionalwahl machte einmal mehr die Zerrissenheit des linken Lagers deutlich. Das teilt sich in einen eher sozialdemokratischen Flügel aus Sozialisten und Grünen, die im Interesse einer Rückkehr an die Macht zu Zugeständnissen an den Neoliberalismus bereit sind, und einen Flügel, der sich nach wie vor den historischen Werten und Zielen der Linken verbunden fühlt und der von Jean-Luc Mélenchons Bewegung La France insoumise (LFI) angeführt wird. Bei der Regionalwahl war es nur in der Region Haut-de-France gelungen, vom ersten Wahlgang an mit einer linken Gemeinschaftsliste anzutreten, in der unter Führung eines Grünen sowohl Politiker der SP als auch der KP und der LFI vertreten waren. In der Pariser Region Île-de-France gab es im ersten Wahlkampf sowohl eine grüne als auch eine sozialistische und eine LFI-Liste, die es auf 14, elf und zehn Prozent brachten. Für den zweiten Wahlgang haben sie sich zu einer Liste zusammengeschlossen, die 35 Prozent erzielte und damit den zweiten Platz nach der siegreichen Liste der Präsidentin Pécresse belegte.
Zum konsequent linken Lager gehören trotz vieler Differenzen mit Mélenchon auch die Kommunisten, deren Gewicht allerdings weiter sinkt. Ein neuerliches Zeichen dafür war, dass bei der zusammen mit der Regionalwahl durchgeführten Départementalwahl das letzte bisher noch kommunistisch regierte Departement Frankreichs Val-de-Marne an die rechtsbürgerlichen Republikaner verloren ging.
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