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Bitte schön Luxus für alle
Wenn nicht nur das Online-, sondern auch das Luxusgeschäft boomt, dann sagt das einiges über den heutigen Kapitalismus aus, meint Simon Poelchau
Was haben Kağan Sümer, Jeff Bezos und Bernard Arnault gemeinsam? Sie sind verdammt reiche Männer. Nummer eins gründete im Mai 2020 den Lebensmittel-Kurierdienst Gorillas, der Investoren bereits jetzt mehr als eine Milliarde Euro wert ist. Nummer zwei und drei lieferten sich in den vergangenen Wochen ein Kopf-an-Kopf-Rennen um den Titel des reichsten Menschen der Welt. Bezos muss man dabei nicht erst großartig vorstellen: Er ist der Gründer und Chef des allgegenwärtigen Onlinehändlers Amazon. Auf Arnault einen genaueren Blick zu werfen, lohnt sich indes.
Arnault ist kein Banker, Industrieller oder Onlinemilliardär. Das Metier des Franzosen ist Luxus. Er ist Chef und Hauptaktionär des Luxusgüterkonzerns LVMH. Zu ihm gehören rund 70 Marken - darunter so illustre Namen wie Louis Vuitton, Moët und Hennessy. Kurzum: Er vertickt so ziemlich alles, was die Herzen der Reichen höher schlagen lässt. Dass nun ausgerechnet er sich ein Rennen mit dem Onlinehändler der Welt, Bezos, liefert, sagt einiges aus über die Lage des Kapitalismus nach einem Jahr Pandemie und globaler Wirtschaftskrise: Den Reichen der Welt geht es offenbar so gut, dass sie ihren Ausstatter zum Reichsten unter ihnen machen.
Dem Rest der Gesellschaft geht es bekanntlich nicht so rosig. Dieser konnte sich vor dem Virus nicht auf seine Privatinsel retten. Besonders litten die unteren Klassen. Sie mussten die meisten Einkommensverluste hinnehmen. Wer entsprechenden Studien von Organisationen wie Oxfam oder der Hans-Böckler-Stiftung nicht glaubt, dem sind offizielle Zahlen wärmstens ans Herz zu legen, die das Statistische Bundesamt am Montag veröffentlichte.
Laut dem Nominallohnindex der amtlichen Statistiker*innen gingen die Löhne im Vergleich zum ersten Quartal 2020 - also dem letzten Vor-Corona-Quartal - in den ersten drei Monaten dieses Jahres um 0,7 Prozent zurück. Rechnet man die Inflation hinzu, dann ist das unterm Strich ein Minus von zwei Prozent. Besonders krass ist das Minus bei geringfügig Beschäftigten - nominal liegt es bei 1,8, real also bei 3,1 Prozent. Arbeitnehmer*innen in leitender Stellung konnten hingegen zumindest auf dem Papier noch ein Lohnplus von 1,4 Prozent erhalten.
Gleichzeitig stellte das Statistische Bundesamt bereits in einer älteren Statistik fest, dass die Unternehmens- und Vermögenseinkommen im ersten Quartal dieses Jahres gestiegen sind, während die Löhne eben sanken. Man kann also sagen: Hierzulande ging die Schere zwischen Arm und Reich während der Coronapandemie weiter auf.
Dies liegt unter anderem daran, dass es der Regierung eher um die Rettung von Unternehmen als um die Unterstützung des unteren Teils der Gesellschaft ging. Während Unternehmen in der Coronakrise wie die Lufthansa mit Milliardenbeträgen gerettet wurden, sah es an der Hartz-IV-Front eher mau aus. So ist auch das vielgepriesene Kurzarbeitergeld ein zweischneidiges Schwert. Gerade für Niedrigverdienende war es nicht genug, gleichzeitig konnten sich die Konzerne damit gesundstoßen, weil sie damit an Personalkosten einsparten. So erhielt der Autobauer Daimler vergangenes Jahr 700 Millionen Euro Kurzarbeitergeld für seine Beschäftigten, gleichzeitig zahlte er seinen Aktionär*innen für 2020 eine Dividende von 1,35 Euro pro Wertpapier und damit 50 Prozent mehr als für das Jahr 2019.
Dass in der Coronakrise so ziemlich alles boomte, was mit Internet zu tun hatte, ließ die Geldbeutel der Superreichen neben ihren Steuertricks zusätzlich anschwellen. Amazon und sein Gründer Bezos sind dafür beispielhaft. Laut Forbes-Liste stieg sein Vermögen von 2020 bis 2021 um rund 63 Milliarden US-Dollar. Da dürfte es für ihn verschmerzbar sein, dass er nicht mehr die unangefochtene Nummer eins ist. Genauso selbstverständlich ist, dass ein solches Vermögen nicht ohne massive Ausbeutung der Beschäftigten angehäuft werden kann. Das hat nicht nur Bezos verstanden, sondern anscheinend auch Gorillas-Gründer Sümer, der seine Riders bei Wind und Wetter Essen ausfahren lässt.
Die aber wehren sich dagegen. Der neue Kapitalismus bringt neue Klassenkämpfe mit sich. Das ist auch gut so. Denn bitte Luxus für alle, sonst gibt’s Krawalle.
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