Steuerung aus einer Hand

Experten fordern neue Struktur für Berliner städtische Wohnungsunternehmen

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.

»Weder die Bauleistung der landeseigenen Wohnungsunternehmen kann auf Dauer gesichert, noch kann eine abgestimmte Mietenpolitik gewährleistet werden«, sagt Andrej Holm zu »nd«. Der linkennahe Stadtsoziologe hat gemeinsam mit dem grünennahen Wohnungswirtschafts-Experten Jan Kuhnert ein 40-seitiges Diskussionspapier erarbeitet, in dem sie die aus ihrer Sicht nötigen Strukturänderungen skizzieren, damit die Landesunternehmen die an sie von Koalition und Stadtgesellschaft gestellten Aufgaben auch erfüllen können.

Unter anderem »das wiederholte Unterlaufen von politischen Beschlüssen zu Mietverzichten« sowie der Widerstand »gegen stärkere Beteiligungsrechte der Mieter*innen« zeigten, dass die landeseigenen Wohnungsunternehmen »sich von den politisch formulierten Anforderungen an eine öffentliche Wohnungswirtschaft überfordert fühlen«, konstatieren die beiden.

»Wir verlangen von einer nächsten Regierung, eine vernünftige Steuerung der sechs Landesunternehmen zu organisieren. Das kann bis zu einer Holding gehen«, sagt Jan Kuhnert zu »nd«. Er kennt die Probleme aus nächster Nähe, schließlich war er einer der beiden Gründungsvorstände der Wohnraumversorgung Berlin (WVB) . Als Anstalt öffentlichen Rechts organisiert, war deren Gründung eine der Forderungen des Mietenvolksbegehrens. »Als wir das Wohnraumversorgungsgesetz verhandelt haben, habe ich mir einen höheren Steuerungseffekt mit der neuen WVB erwartet. Der ist nur bei inhaltlichen Themen eingetreten, in der konkreten betriebswirtschaftlichen Steuerung nicht«, sagt Kuhnert heute. Gemeint ist damit auch das alltägliche Handeln, wie beispielsweise bei der Ausübung von Vorkaufsrechten oder beim Umgang mit Mieterinnen und Mietern bei Sanierungen.

In einem ersten Schritt soll nach den Vorstellungen von Holm und Kuhnert eine Managementgesellschaft als Anstalt öffentlichen Rechts die Steuerung der Unternehmen übernehmen. Deren Verwaltungsrat unter Vorsitz der Stadtentwicklungsverwaltung und Vize-Vorsitz der Finanzverwaltung soll bis auf die Beschäftigten- und Mietervertreter identisch mit den Aufsichtsräten der weiter privatrechtlich organisierten Wohnungsunternehmen sein. »Derzeit sind die Gesellschaften auch von der Dichotomie zwischen Stadtentwicklungs- und Finanzverwaltung hin- und hergeworfen«, beschreibt Kuhnert die Lage. »Dadurch entsteht kein vernünftiger gemeinsamer Gesellschafterwillen.«

In einem nächsten Schritt soll eine gemeinsame Gesellschaft zur Bausteuerung entstehen. »Es gibt zwar ein Neubauprogramm, das mit Quietschen erreicht wird. Aber in den letzten vier Jahren sind 20 Prozent Wohnungen weniger als geplant fertiggestellt worden. Das ist eine erhebliche Niederlage«, sagt Kuhnert. Da aber Genossenschaften und Private praktisch keine Sozialwohnungen bauen, müssten die Landeseigenen insbesondere noch mehr geförderte Wohnungen bauen als ursprünglich geplant. »Bis auf die Degewo haben die Unternehmen keine eigenen Planer. Und auch dort kümmern sie sich nur um etwa ein Drittel der Neubauprojekte«, so Kuhnert. Um die Baukosten zu senken, müssten über Rahmenvereinbarung und Typenbauten die Potenziale durch gebündelte Einkaufsmacht gehoben werden. »Wenn mit entsprechender Qualität geplant wird, müssen dabei auch keine monotonen Blöcke herauskommen. Letztlich wurde in der Gründerzeit auch so gebaut, den kleinteiligen Eindruck ergibt die unterschiedliche Fassadengestaltung«, erklärt Jan Kuhnert.

Schließlich könnten die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften in der Endphase als Teil einer Holding die rund 400 000 Wohnungen, über die sie in einigen Jahren verfügen sollen, verwalten. Natürlich soll bei der Umstrukturierung etwas für die Mieterinnen und Mieter herausspringen. Die Bestände sollen künftig unabhängig von den jetzigen Gesellschaften territorial, beispielsweise nach den 23 Altbezirken gegliedert, verwaltet werden. »Nach dem Prinzip der Checks and Balances gehören eine Zentralisierung der Steuerung und eine Dezentralisierung der Verwaltung zusammen«, erläutert Kuhnert. »Mit einer etwas kleinteiligeren Struktur werden wir die Partizipation verstärken können«, sagt er. Entsprechende Mitbestimmungsstrukturen der Mieterschaft soll es künftig auf jeder Ebene geben.

Kuhnert hofft, dass das Papier in der Koalition auf fruchtbaren Boden fällt. Denn eines sei wohl allen klar: »Der Senat muss bei den Landeseigenen eine klarere Steuerung und mehr Neubau liefern.«

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.