Kein guter Repräsentant

Mitten in der Olympiaqualifikation erzürnt ein Basketballer die Fans

Dass Henrik Rödl ein gutes taktisches Gespür hat, bewies er am Donnerstagabend in Split. Es herrschte eine äußerst groteske Situation für ein Basketballspiel. Das von Rödl trainierte deutsche Nationalteam konnte sich fürs Erreichen des Halbfinals im Olympiaqualifikationsturnier eine Niederlage mit sechs Punkten Rückstand gegen Russland erlauben, führte knapp 20 Sekunden vor Schluss mit einem Punkt, und Center Johannes Thiemann konnte diesen Vorsprung mit zwei Freiwürfen sogar erhöhen. Doch Rödl befahl, daneben zu werfen. Und danach sollte keiner ein Foul begehen. Lieber dem Gegner noch einen Korb und damit zwei oder drei leichte Punkte erlauben. Hätte Thiemann gepunktet, hätten die Russen noch ausgleichen und damit eine Verlängerung erzwingen können. In der wäre auch eine höhere Niederlage und das Ausscheiden möglich gewesen. Genau einen Punkt aufzuholen, ist ohne Foul im Basketball aber unmöglich. Der Plan ging auf, und in der letzten Sekunde durfte Maodo Lô doch noch einen Freiwurf zum 69:67-Sieg verwandeln. Eine taktische Meisterleistung, mit der Rödl die Chance auf Olympia sicherte.

Marsch mit Corona-Leugnern

Deutsche Basketballfans baden nun dennoch nicht in Glücksgefühlen und fiebern dem Halbfinale an diesem Sonnabend gegen Gastgeber Kroatien entgegen. Sie reden seit Wochen in Podcasts, Tweets und Videos fast ausschließlich darüber, dass Bundestrainer Rödl Joshiko Saibou für das Turnier nominiert hat. Der war vor knapp einem Jahr vom Bundesligisten Baskets Bonn entlassen worden, nachdem er ohne Abstand und Maske bei Protesten gegen die Corona-Regeln der Bundesregierung mitmarschiert war. Saibou argumentierte mit seiner Meinungsfreiheit, der Klub entgegnete, er habe die Hygieneregeln des Klubs verletzt. Man einigte sich außergerichtlich, Saibou wechselte nach Frankreich und war aus dem Sinn.

Bis zum Tag von Rödls Nominierung des Olympiakaders. Der Bundestrainer ahnte an jenem 11. Juni wohl bereits, dass Starspieler Dennis Schröder aufgrund zu hoher Versicherungsforderungen in diesem Sommer nicht für die Nationalmannschaft spielen kann und fand in Saibou den sonst fehlenden sicheren Punktesammler auf der Spielmacherposition. Dabei aber verlor er jedes taktische Geschick - zumindest abseits des Feldes.

Die Fangemeinde ist seitdem erzürnt, und nicht nur die. Selbst Moderatoren des Pay-TV-Senders Magentasport, der sonst eher unkritisch, vor allem aber völlig unpolitisch daherkommt, regten sich in ihrem Podcast über die Personalie auf. Auch nachdem Saibou und der DBB noch versucht hatte, die Wogen per Videobotschaft zu glätten: »Ich stehe jeden Tag meines Lebens für Respekt, Toleranz, Freiheit, Offenheit ein. Aber ich stelle mich entschlossen gegen Diskriminierung, Hass und Gewalt«, sagte er dort. Es sei nicht seine Intention gewesen, Menschen mit seinen Handlungen oder Aussagen zu verletzen. Er habe Worte vielleicht zu überspitzt formuliert.

Aus dem Netz, aus dem Sinn?

Fehler aber gestand Saibou keine ein. Dabei hatte er bei Demonstrationen, zu denen auch rechtsextreme Corona-Leugner kamen, sogar auf der Bühne gestanden. Seine Lebensgefährtin, Weitspringerin Alexandra Wester, hatte zudem in sozialen Netzwerken Verschwörungstheorien über Bill Gates oder Verjüngungskuren mit Kinderblut geteilt. Und Saibou drückte fleißig den Like-Button.

Diese Likes hat er bis heute nicht zurückgenommen. Der Deutsche Basketball-Bund (DBB) bat ihn lediglich, sie zu löschen. Eine Pressekonferenz vor dem Supercup vor gut einer Woche in Hamburg und das Selfie-Video von Saibou reichen dem Verband offenbar. Ein klärendes Gespräch zwischen DBB und Spieler war auch erst nach der Nominierung angesetzt worden. Eine Reihenfolge, die Basketballfans nicht verstehen konnten.

In Split wollen weder der Verband noch sein Bundestrainer Rödl weiter darüber reden. Der Sport stehe jetzt im Vordergrund, und rein sportlich ist Saibous Leistung bislang tadellos. Die Diskussion, ob er Deutschland bei Olympia repräsentieren soll, würde bei einer erfolgreichen Qualifikation mit einem Finalsieg am Sonntag aber nicht abreißen. Rödl scheint es egal zu sein. Sein Ziel ist Olympia. Danach hört er als Bundestrainer auf, und um die Außenwirkung des Verbandes müssen sich dann andere kümmern.

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