Bei Abschiebungen nicht abschreiben

Fabian Hillebrand über die neueste Variation einer zweifelhaften Forderung – diesmal wieder aus der SPD

  • Fabian Hillebrand
  • Lesedauer: 4 Min.

Einst stand im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland in aller Klarheit: »Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.« Seitdem sind dem sechzehnten Artikel viele Zusatzartikel und Paragrafen angehängt worden, die vor allem eins zu verhindern suchen: dass dieser Satz auch wirklich gilt.

Einigen geht das aber noch nicht weit genug. Schon 1997 blökte Gerhard Schröder, kriminelle Ausländer müssten raus, und zwar schnell. Die neueste Variation dieses Themas kommt von Franziska Giffey. Zwölf Wochen vor den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus sucht die Spitzenkandidatin der SPD die Konfrontation mit den Regierungspartnern in der Hauptstadt, Teilen der eigenen Partei und dem Recht. Über Menschen, die aus Syrien oder Afghanistan geflüchtet sind, in Deutschland Asyl bekommen haben und straffällig geworden sind, sagt sie: »Ich bin da ganz klar: Schwerverbrecher und terroristische Gefährder müssen abgeschoben werden.« Es gibt so viel Problematisches an dieser Aussage, es lohnt sich, die Punkte einzeln durchzugehen.

Erstens lösen Abschiebungen, das steckt bereits im Begriff, die Probleme nicht. Sie bürden sie nur Staaten auf, die viel hilfloser im Umgang mit ihnen sind. 2017 verteidigte der bayerische CSU-Innenminister Joachim Herrmann die Abschiebung einer Gruppe Afghanen damit, dass zwei Vergewaltiger unter ihnen seien. Die afghanischen Behörden wurden aber nicht informiert, wer da zurückkommt – aus Datenschutzgründen.

Zweitens werden unrechte Forderungen durch andauernde Wiederholung nicht zu Recht. Es gibt einen kleinen Teil von Flüchtlingen, der schwere Straftaten begeht. Man muss mit ihm in Deutschland umgehen, nach rechtsstaatlichen Maßstäben. Wenn man gegen die Todesstrafe ist, kann man nicht Menschen in ein Land abschieben, in dem ihnen die Todesstrafe droht.

Drittens würde eine Intensivierung der Abschiebungen zum Beispiel nach Syrien auch eine Intensivierung der Zusammenarbeit bedeuten – mit dem Diktator Baschar al-Assad. Man würde damit die außenpolitischen Bemühungen der letzten Jahre konterkarieren und sich abhängig von einem Diktator machen. Am Beispiel des EU-Türkei-Deals haben wir gesehen, dass solche Abkommen extrem erpressbar machen.

Viertens sollte man das Recht auf Asyl nicht »verspielen« können. Es wäre kein Recht, gelte es nicht universell. Schon das Wort Gastrecht führt in die Irre. Menschen fliehen aus Afghanistan oder Syrien, weil sie dort nicht leben können. Sie sind in Deutschland nicht »zu Besuch«, sondern hier als Rechtssubjekte. Macht sich ein Flüchtling, wie mutmaßlich zuletzt in Würzburg, mehrerer Morde schuldig, geht er in den Knast, wie andere Verurteilte auch. Und bleibt dort möglichst lange – aber eben in Deutschland.

Wenn nun all diese Argumente nicht reichen, dann sei noch ein Viertes zum Vorstoß von Franziska Giffey gesagt: Kriminelle Flüchtlinge werden bereits abgeschoben – zum Beispiel nach Afghanistan. Es gab in den letzten Jahren auch immer wieder Abschiebungen von vermeintlichen Gefährdern und Kriminellen. Seit dem Abzug der internationalen Truppen fanden zwar keine Abschiebungen mehr statt, dies könnte aber bloß eine Momentaufnahme sein. Generell sind Rückführungen möglich. Genauso wie Abschiebungen nach Syrien: Ein genereller Abschiebestopp dorthin ist zum Jahreswechsel auf Betreiben von CDU und CSU ausgelaufen.

Fortgesetzte Realitätsverweigerung - Trotz der fragilen Sicherheitslage will das Bundesinnenministerium weiter nach Afghanistan abschieben.

Was will Giffey also bewirken, wenn sie fordert, was schon längst Realität ist? Sie buhlt damit um rechte Stimmen. Abschiebungen in zwei der gefährlichsten Länder der Welt zu fordern heißt vor allem, dass man im Wahlkampf mit Populismus bei Rechten auftrumpfen möchte, statt mit den Rechten der Menschen und ihrer Würde.

Das ist besonders ärgerlich, weil die SPD einem das Gefühl gibt, dass sie Rechts immer erst dann als ernsthafte Gefahr sieht, wenn ihnen Stimmenverlust droht. Wenn sie nur Ausländer oder Linke auf dem Land verprügeln, haben sie kein Problem, aber wenn es in den Wahlkampf geht, und die Umfragen im Keller sind, versucht man schleunigst, die Rechten rechts zu überholen.

Der Sound klingt nach den Parteiprogrammen der AfD und Union. Franziska Giffey sollte diesen Kurs schleunigst wieder verlassen. Sie hat jüngst schon genug schlechte Erfahrungen mit Abschreiben gemacht.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.