Aufbruchstimmung ist woanders

Der Regierende Bürgermeister sucht ohne viel Aufhebens nach einer neuen Smart-City-Strategie

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin braucht Ersatz für die 2015 verabschiedete Smart-City-Strategie, das hat sich die rot-rot-grüne Koalition auf die Fahnen geschrieben. Wie der Weg dorthin aussehen könnte, steht im »strategischen Rahmen für die neue Smart-City-Strategie Berlins«, mit der sich der Senat diesen Dienstag auf Vorlage des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller (SPD) befassen will.

Rund 160 Seiten umfasst das »nd« vorliegende Dokument. »Smart ist eine Stadt dann, wenn Digitalisierung und Technologie gesellschaftlichen Nutzen erzeugen und das Gemeinwesen stärken«, heißt es dort. Vier Leitgedanken wurden in dem Papier, das einen Rahmen für die Erarbeitung einer Strategie bilden soll, formuliert. Demnach soll Berlin ökologisch, sozial und wirtschaftlich nachhaltig sein, zudem gemeinwohlorientiert und resilient, also widerstands- und anpassungsfähig, außerdem kooperativ.

Federführend für die Erarbeitung des Papiers zuständig war das Citylab, »ein öffentliches Experimentierlabor für die Stadt der Zukunft«, wie es in der Selbstbeschreibung heißt. »Die Erarbeitung der Smart-City-Strategie wurde nicht ausgeschrieben, sonst würden da PWC oder KPMG sitzen«, sagte Frank Nägele (SPD), Staatssekretär für Verwaltungs- und Infrastrukturmodernisierung in der Senatskanzlei vergangene Woche bei einer Veranstaltung. Er sei »heilfroh, dass nicht eines der großen Beratungsunternehmen jetzt darauf sitzt«, so Nägele weiter.

Insgesamt rund 2000 Menschen wirkten in einem »umfassenden, inklusiven und aufsuchenden Beteiligungsprozess« an der Ausarbeitung mit, je nach Gruppe mit ausführlichen Einzelinterviews, über Fragebögen, Workshops, international besetzte Runde Tische und wissenschaftliche Symposien.

»Der Ansatz ist gut, gemessen daran, dass es sich um die größte Stadt Deutschlands handelt«, sagt Walter Palmetshofer zu »nd«. Er ist Projektleiter bei der Open Knowledge Foundation, die sich für offenes Wissen einsetzt und das demokratische Potenzial von Technik aufzeigen will. Auch das für die Erarbeitung zuständige Team hat wirklich einen guten Job gemacht, lobt Palmetshofer.

»Die Hauptproblematik ist aus meiner Sicht, dass führende Köpfe der Politik das Thema nicht an sich nehmen oder durchsetzen wollten«, kritisiert der Tech-Aktivist. Dass Michael Müller mit der Thematik offenbar nicht viel anfangen kann, hat sich bereits bei der Eröffnung des Citylabs im Juni 2019 gezeigt, als bei ihm Forschung und Medizin Thema Nummer Eins waren.

»Die Erarbeitung einer solchen Strategie müsste als Zeichen eines allgemeinen Aufbruchs breit verankert werden. Aber die Potenziale sind nicht ansatzweise abgegriffen worden«, so Palmetshofer. Das zeige sich in einer noch unvollständigen Datenstrategie für die Verwaltung.

Bevor der Senat den Strategierahmen beschließt, wird er nun dem Rat der Bürgermeister zur Stellungnahme vorgelegt. Im Oktober, also nach der Wahl, sollen in einer einjährigen Ausarbeitungsphase »für einzelne für die Smart City relevante Themen konkrete Ziele und Maßnahmen formuliert« werden, wie es in der Senatsvorlage heißt. »Wenn man mutig gewesen wäre, hätte man vor der Wahl noch Pflöcke eingeschlagen«, sagt Palmetshofer.

Doch bereits jetzt scheint man Sorge zu haben, dass die Strategie Stadtentwicklungsprojekte behindern könnte. Es müsse ein neues Unterkapitel »konfliktlösend wie Prioritäten und Posteriotäten setzend« eingefügt werden, heißt es im Beschlussentwurf. Verklausuliert wird das Missverhältnis der öffentlichen Erwartung zur Beteiligung und den vorhandenen Ressourcen angeführt.

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