Knuffiger Ami im karierten Jackett
Ambitionierter Jazzer: Bill Ramsey gestorben
»Willst du Rock ’n’ Roll machen oder was Lustiges?«, soll ein Platten-Produzent ihn gefragt haben, damals, 1958, in einem Frankfurter Jazzkeller. Bill Ramsey entschied sich für die humorvollen Songs - aus ökonomischer Sicht sollte sich das als weise Entscheidung herausstellen. Fortan war Ramsey für die Deutschen der knuffige Ami im großkarierten Jackett, der stets so lustig die Augen verdrehte und den »Wumba-Tumba Schokoladeneisverkäufer« gab. Von 1958 bis 1963 landete er mehrere Top-10-Hits; »Pigalle (Die große Mausefalle)« schaffte es auch auf Platz eins. Unvergessen die »Zuckerpuppe aus der Bauchtanztruppe«, der Song mit den »kleinen süßen Bienen« und den »Wüstensöhnen« - eher nicht so gut gealtert der Text, aber selbst aus heutiger Sicht harmlos. Leichte Unterhaltung eben.
Dabei hatte der Sänger, am 17. April 1931 als William McCreery Ramsey in Cincinnati, Ohio geboren, auch ernsthafte Jazz-Ambitionen gehabt. Schon als Soziologie-Student an der renommierten Yale-Universität sang er nebenbei Swing und Blues, dann musste er zur Armee - und kam als 21-jähriger GI nach Deutschland. Ramsey trat mit »echten Jazzern« wie Toots Thielemans auf. Count Basie und Nat King Cole waren seine Vorbilder. Gern wies der US-Amerikaner darauf hin, dass sein Hit mit dem fiesen Ohrwurm-Potenzial »Ohne Krimi geht die Mimi nie ins Bett« eigentlich eine »Bigband-Shuffle-Swing-Nummer« sei.
War das gar eine späte Entnazifizierung mit Schlager-Jazz? Wohl kaum, in der Bundesrepublik der 50er Jahre liebte man einfach die gut gelaunten Ausländer wie die Italienerin Caterina Valente, den Schweizer Vico Torriani, den Engländer Chris Howland. Auch war Ramseys amerikanischer Akzent (vom »isch« einmal abgesehen) eher dezent - und Englisch sang er vor allem bei Konzerten, weniger im Fernsehen. In mehr als zwei Dutzend Filmen spielte der Mann, der 1984 deutscher Staatsbürger wurde, obendrein mit. In Klamotten mit so herrlich blödsinnigen Titeln wie »Mit Himbeergeist geht alles besser« oder »Junge Leute brauchen Liebe« gab Ramsey meist das schlagfertige Pummelchen.
Er moderierte in den 70ern im Fernsehen, als die Shows noch »Schlager für Schlappohren« und »Show ohne Schuh’« hießen - aber er bekam als Sänger auch den Preis der deutschen Schallplattenkritik, für das Duo-Album »Live im Mainzer Unterhaus« mit dem Gitarristen Juraj Galan. Dass er den Rhythm ’n’ Blues liebte, die Beatles, Fats Domino, Elvis und Ray Charles - das bewies er noch bei seinem letzten Konzert im Hamburger Metropolis-Kino Ende 2019. Schon im Rollstuhl sitzend intonierte er »What a Wonderful World« und »Georgia on my Mind«. Ramsey traf da nicht mehr alle Töne, sang aber mit umso mehr Leidenschaft. Für die »unverkennbare Blues-Stimme und die rhythmische Eleganz«, die er in den Schlager brachte, aber auch für seine Rolle als Dozent für Jazz-Gesang an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg bekam er 2020 das Bundesverdienstkreuz.
An die Waterkant hatte es den US-Amerikaner 1991 verschlagen. Zuletzt lebte er mit seiner vierten Ehefrau Petra an der eleganten Elbchaussee. Dort ist Bill Ramsey am 2. Juli 2021 im Alter von 90 Jahren verstorben.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.