Durchschnitt als Lichtblick

Die diesjährige Ernte soll mäßig gut ausfallen - Landwirte freut das

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 4 Min.

»Wenn ich die politischen Rahmenbedingungen ausklammere, habe ich richtig gute Laune«, sagt Dirk Peters zu »nd«. Ihn erfreut der lange ersehnte Landregen, der seit Stunden über die Region hinwegpladdert. Denn der Geschäftsführer der Nauener Agro Farm GmbH ist bisher zufrieden mit den Ernteaussichten. In seinen Betrieb haben am Mittwochmorgen der Deutscher Bauernverband und der Landesbauernverband Brandenburg gemeinsam zum Auftakt der Getreideernte geladen.

»Bisher sind wir zufrieden. Wir werden eine durchschnittliche Ernte haben«, sagt Peters. Das entspricht auch der Erwartung für die ganze Mark. Das sei schon etwas »nach vier beschissenen Jahren«, wie er es formuliert. Am Dienstag wurden in seinem Betrieb die ersten 20 Hektar Wintergerste geerntet. »Der Ertrag lag etwas höher als erwartet«, so der Geschäftsführer. »Beim Grünland hatten wir sogar eine überdurchschnittliche Ernte«, freut er sich. Das Agrarjahr 2021 ließ sich zunächst gut an. Die Schneedecke im Winter verhinderte Frostschäden, der kühle und nasse Mai sei »optimal für die Kulturen« gewesen. »Dann kam der Juni«, so Peters. Bis zum 29. des Monats fielen in Nauen nur 1,8 Liter Regen pro Quadratmeter - viel zu wenig für die Kulturen. »Am 30. Juni kamen dann 56 Liter runter«, sagt der Landwirt.

Die Differenz aus Niederschlag und Verdunstung sei bis Ende Mai überall negativ gewesen, meldet auch der Landesbauernverband. »Für Brandenburg ist das insofern problematisch, als dass die überwiegend sandigen Böden nur ein geringes Wasser- und Nährstoffspeichervermögen aufweisen«, sagt dessen Vizepräsident Heiko Terno. Die unterschiedlichen Gegebenheiten in Brandenburg, was Niederschlag und Bodenqualität angeht, führen auch dazu, dass in manchen Regionen die Erträge der Gerste sehr unterschiedlich ausfallen werden.

Das Problem: Der ausgedörrte Boden kann den Regen gar nicht so schnell aufnehmen, teilweise gingen bis zu 160 Liter pro Quadratmeter in kurzer Zeit runter. »Das bedeutet, dass er oberflächlich abfließt, obwohl der Boden trocken ist«, erklärt Katharina Helming. Die Expertin für Bodenkunde forscht am Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung in Müncheberg. »Das führt nicht nur dazu, dass wertvolle organische Bodensubstanz und Nährstoffe abgetragen werden«, so Helming. Nach drei Dürrejahren ist der Boden zudem aktuell zwar oberflächlich wieder ausreichend feucht, doch in bis zu 1,80 Meter Tiefe ist die Trockenheit in der Region nach wie vor nicht ausgeglichen. Mit dem Anbau vielfältiger, aufeinander abgestimmter Fruchtarten könne ein umfangreiches Porensystem gefördert und Verdichtung verhindert werden, weiß Forscherin Helming.

Beim Landesbauernverband setzt man darauf, weitgehend auf den Pflug zu verzichten. Das halte das wenige Wasser im Boden und senke wegen des geringeren Maschineneinsatzes auch die CO2-Emissionen. »Voraussetzung dafür ist jedoch die Anwendbarkeit von Breitbandherbiziden«, sagt Vizechef Terno. Ein weiterer Baustein sei der Anbau trockenheitsresistenter Sorten. So experimentieren Bauern in Sachsen-Anhalt beispielsweise bereits mit dem Anbau von Kichererbsen.

Angesichts der Wetterextreme fordert Forscherin Katharina Helming, die Entwicklung ernst zu nehmen und den Einsatz für den Klimaschutz zu intensivieren. »Wir müssen auch die Bodengesundheit und damit den Wasserhaushalt des Bodens gezielt verbessern. Ein guter Wasserrückhalt im Boden ist die beste Versicherung gegen die Folgen des Klimawandels in der Landwirtschaft«, so Helming weiter. Dabei helfe eine gut geplante Abfolge der Feldfrüchte mit deren unterschiedlichen Wurzelsystemen.

Schon seit Längerem ist klar, dass sich in der Landwirtschaft grundsätzlich etwas ändern muss. Am Dienstag legte dazu die von der Bundesregierung ins Leben gerufene Zukunftskommission Landwirtschaft ihren Abschlussbericht vor. Neben einer schrittweisen Bindung der europäischen Agrarmilliarden an Umweltvorgaben rückt dabei auch der Verbraucheralltag in den Blick. Die Mehrkosten einer bei Ökologie und Tierwohl leistungsfähigeren Landwirtschaft müssten zu einem Teil auf den Märkten erwirtschaftet werden. Wenn Lebensmittel teurer werden, sei dies für Einkommensschwache aber sozial zu flankieren, etwa durch höhere Sätze für Ernährung bei den Sozialleistungen, so die Kommission.

Gerechnet wird mit Zusatzkosten von sieben bis elf Milliarden Euro pro Jahr. Die Kosten eines »Weiter so« seien aber viel höher, nämlich 90 Milliarden Euro jährlich, auch durch klimaschädliche Emissionen, die Verschmutzung von Luft und Grundwasser und den Verlust von Artenvielfalt.

»Machbar ist alles auf dieser Welt, aber es muss bezahlt werden. Wir sind zu allem bereit«, sagt Landwirt Dirk Peters.

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