- Politik
- Internationale Delegation im Irak
»Friedensaktivitäten werden kriminalisiert«
Matthias Gerhard über die Probleme der internationalen Delegation im Irak
Den Impuls gaben verschiedene Initiativen und Menschen, die sich schon länger mit Kurdistan, dessen Geschichte und Situation beschäftigen. Das anhaltende Schweigen in der internationalen Presse und der drohende innerkurdische Krieg waren die starke Motivation der unterschiedlichen Gruppen und Personen, die aus 14 Ländern zusammenkamen. Diese vielfältige Delegation hat die neue Initiative »Defend Kurdistan« gegründet.
Welches Ziel hatten Sie bei Ihrer Reise?
Das Ziel war, mit der Delegation ein Sprachrohr für die Menschen in der Region zu sein und das Schweigen in Europa und der gesamten Welt über die Verbrechen des türkischen Staates zu brechen. Denn der türkische Staat setzt Giftgas und islamistische Söldner ein. Er versucht somit, die Lebensgrundlagen der kurdischen Bevölkerung im Norden Iraks zu zerstören. Außerdem wollten wir zu einem Dialog aller Seiten aufrufen, um die Zerstörung von Mensch und Natur aufzuhalten.
Wer waren die Gesprächspartner*innen vor Ort?
Wir haben mit Vertreter*innen aus unterschiedlichen Parteien gesprochen. Darunter waren Politiker*innen der KDP von Masud Barzani, dem früheren Präsidenten der Autonomen Region Kurdistan im Nordirak. Aber auch mit der oppositionellen Partei PUK und Vertreter*innen aus dem irakischen Parlament kamen wir ins Gespräch. Außerdem trafen wir Künstler*innen, Umweltaktivist*innen und die Friedensmütter.
Einige Menschen, die an der Aktion teilnehmen wollten, durften gar nicht aus Deutschland ausreisen. Was war der Grund?
Es wurde sogar offiziell erklärt, dass die Ausreise von Friedensdelegierten die türkisch-deutschen Beziehungen belasten könne. Die dann folgenden Maßnahmen, die unter anderem Parlamentarier*innen betrafen, waren eine Schützenhilfe für den türkischen Staat.
Warum gab es auch mit der Regierung in Südkurdistan Probleme?
Auch die dortige Regierung, vor allem unter dem Einfluss der KDP, unterhält enge Beziehungen zur Türkei. Unser Erscheinen, die Aufmerksamkeit und der versuchte Dialog über Frieden gefielen den Regierenden nicht. Auch sie schweigen zu den türkischen Verbrechen. Es gibt enge wirtschaftliche und politische Verbindungen, die nicht aufs Spiel gesetzt werden.
Haben Sie persönlich Behinderungen erlebt?
Ja, wir wollten vor dem Gebäude der UN die Initiative »Defend Kurdistan« ausrufen und in die betroffenen Regionen reisen, wo Dörfer entvölkert und die Wälder zerstört wurden. Schwer bewaffnete Polizei zog vor unser Hotel und uns wurde jede Unternehmung untersagt. Bei unserer Rückkehr in die Bundesrepublik wurden wir mit der deutschen Polizei konfrontiert. Dies zeigt einmal mehr, dass Friedensaktivitäten kriminalisiert werden.
Wie beurteilen Sie angesichts der vielen Schwierigkeiten das Delegationsprojekt rückblickend?
Insgesamt war es trotz Schwierigkeiten ein Erfolg für uns. Wir haben den Finger in die Wunde gelegt und konnten das Schweigen brechen. Wir wollten das Machtspiel der verschiedenen beteiligten Staaten stören, die vor Kriegsverbrechen und Zerstörung nicht zurückschrecken. Vor allem wollten wir die türkische Politik der Vernichtung entlarven. Natürlich ist der Krieg noch nicht beendet worden, aber ein solcher Anspruch an uns selbst wäre auch vermessen. Wir hoffen, dass wir einen Friedensprozess unterstützen können und sehen es als unsere Aufgabe, die Beteiligung europäischer Staaten an diesem Krieg aufzudecken und zu beenden. Viele Menschen vor Ort haben die politische Situation durchschaut und wissen, dass deutsche Waffen in den Händen des türkischen Militärs sie bedrohen und töten.
Sind weitere Veranstaltungen und Delegationen nach Südkurdistan geplant?
In den kommenden Wochen finden in vielen Orten Informationsveranstaltungen der Initiative »Defend Kurdistan« statt, bei denen die aktuelle Situation diskutiert und von der Friedensdelegation berichtet wird. Es wird weitere Aktionen geben und wenn nötig auch weitere Delegationen.
Wie werden Sie sich engagieren?
Ich persönlich werde weiter besonders die Waffenlieferungen der Bundesrepublik an den türkischen Staat thematisieren. Denn es kann nicht sein, dass keine Verantwortung übernommen wird, wenn deutsche Waffen Menschen töten.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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