- Brandenburg
- Lüftungsanlagen in Schulen
Wenn die Welle kommt, dann Fenster auf
Kein flächendeckender Einbau von Lüftungsanlagen in Schulen - 13 Millionen Euro für Aufholprogramm
Wenn in wenigen Wochen das neue Schuljahr beginnt, dann werden Lüftungsanlagen und -geräte in den 450 Schulen des Landes Brandenburg in der Regel nicht eingebaut sein. Das war eine Erkenntnis aus der Sondersitzung des Haushalts- und Finanzausschusses am Donnerstag, der letzten vor der Sommerpause. Bildungs-Staatssekretärin Ines Jesse (SPD) räumte nach mehreren Nachfragen ein, dass es wohl keinen flächendeckenden Einbau solcher Lüftungstechnik geben wird. Angesichts der zunehmenden Ausbreitung der hochansteckenden Delta-Variante des Coronavirus sind das keine erfreulichen Nachrichten. Schließlich sei das klassische Lüften - also das Fensteraufreißen in kurzen Intervallen - insbesondere in der herannahenden kalten Jahreszeit keine akzeptable Lösung, wie der Linke-Abgeordnete Thomas Domres anmerkte.
Auch für den Abgeordneten Philip Zeschmann von der Fraktion BVB/Freie Wähler ist das nicht hinnehmbar. Schließlich brauche es eine »rechtzeitige Vorbereitung auf eine mögliche weitere Coronawelle«. Dafür müssten die Verantwortlichen im Bildungs- und Finanzministerium wissen, wie viele Klassenzimmer mit Lüftungsanlagen auszustatten sind und welche Geräte dafür infrage kommen. »Eine europaweite Ausschreibung braucht Zeit«, merkt er an. Statt sich auf eine vierte Welle vorzubereiten, entstehe der Eindruck, dass man auf ein »Chaos« zu laufe - wie schon im vergangenen Jahr, als der behauptete Distanzunterricht vielerorts gar nicht stattgefunden habe. Schülerinnen und Schüler hätten in vielen Fällen die benötigten digitalen Endgeräte erst bekommen, als der Präsenzunterricht wieder losging. Ob der Gesundheitsschutz über stationäre oder nicht-stationäre Lüftungsgeräte erfolge, sei »völlig egal«. Wichtig sei vielmehr, dass das Bildungs- und das Gesundheitsministerium jetzt handeln. »Notfalls müssen wir zu einer neuen Sondersitzung zusammenkommen.«
Laut Staatssekretärin Jesse hat Brandenburg mit dem Lüften gute Erfahrungen gemacht. Wenn regelmäßig für drei Minuten die Fenster in den Klassenzimmern geöffnet werden, könnten dadurch 98 Prozent der Aerosole in den Räumen entfernt werden. Sie setze auf Testung, Maskenschutz und Impfangebote für die Lehrkräfte, aber: »Lüften ist das Entscheidende«. Technische Geräte könnten - wenn überhaupt - höchstens unterstützend wirksam sein. Schulträger und -leitungen hätten zudem mitgeteilt, dass es vielfach an Platz fehle, um die Lüftungsgeräte auch aufzustellen. Unterstützung kam von Gesundheitsstaatssekretär Michael Ranft (parteilos), der darauf hinwies, dass die Wirkung bei nicht-stationären Lüftungsanlagen ohnehin umstritten sei. Die Effekte seien nicht hinreichend erforscht, alles andere müssten »das Bildungsministerium und die Schulen in eigener Verantwortung klären«.
Für die rund 20 Gesundheitsfachkräfte an brandenburgischen Schulen endet die Arbeit mit dem Jahreswechsel. Für eine Verlängerung und Ausweitung des Modellprojekts sprach sich bei der Ausschusssitzung allein der Linke-Abgeordnete Thomas Domres aus. Der derzeitige Modellversuch, bei dem Fachkräfte an Schulen für den Gesundheitsschutz und die -aufklärung zuständig sind, ist laut Staatssekretärin Jesse bis Ende 2021 ausfinanziert. Ob es eine Anschlussfinanzierung gibt, sei, wie der gesamte Landeshaushalt, noch nicht entschieden. Bildungsministerin Britta Ernst (SPD) und Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) seien darüber jedoch im Gespräch.
Für Domres eine unbefriedigende Antwort, die bei den Betroffenen »nicht unbedingt Freude auslösen« werde. Er fürchtet ein »Pingpong-Spiel«, an dessen Ende ohnehin das Auslaufen des Modellversuchs steht. Angesichts der Tatsache, dass ihm kein anderer Abgeordneter zur Seite sprang, verwies er darauf, dass es im Landtag eine Zustimmung für die Fortführung des Programms gab. Staatssekretär Ranft verwies daraufhin auf die allgemeine Sparnotwendigkeit in der gegenwärtigen Finanzsituation. Die Anwesenheit von Gesundheitsfachkräften an Schulen sei nie auf Dauer angelegt gewesen und die Finanzierung von Schulkrankenschwestern habe ohnehin perspektivisch den Krankenkassen auferlegt werden sollen. Von einer Dauerfinanzierung durch das Land sei nie die Rede gewesen. »Der Modellversuch ist für uns abgeschlossen«, winkte er ab.
Gute Nachrichten gab es am Ende dann aber doch noch für Brandenburgs Schüler*innen: Der Ausschuss stimmte mit der Mehrheit von SPD, CDU, Grünen und Linke zu, ein Sonderprogramm des Bundes zum Ausgleich von Coronafolgen im Bildungsbereich mit 30 Millionen Euro aus Landesmitteln gegenzufinanzieren. Weitere 38,7 Millionen Euro kommen vom Bund. Davon sollen 13 Millionen noch in diesem Jahr fließen. »Wir sind gerade im Planungsprozess«, sagte Bildungsstaatssekretärin Ines Jesse. Bei dem Programm geht es um das Aufholen von Lernrückständen, aber auch um sozialpädagogische Unterstützung für Kinder und Jugendliche sowie mehr Ferien- und Freizeitangebote.
BVB/Freie Wähler enthielten sich, die AfD lehnte das Programm ab und stellte dessen Wirksamkeit und Sinnhaftigkeit infrage. Der stellvertretende Ausschussvorsitzende Jörg Vogelsänger (SPD) sieht das Programm nicht nur wichtig für das Aufholen von Lernrückständen. »Manche Kinder haben durch die soziale Isolation oder im schlimmsten Fall durch die häusliche Gewalt ganz andere Sorgen als ihre eventuell entstandenen Lernlücken.«
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