Springen für mehr Inklusion
Parasportler Markus Rehm kämpft für einen Olympiastart in Tokio - das IOC muss entscheiden
Die Weltjahresbestenliste im Weitsprung führt der Grieche Miltiadis Tentoglou mit 8,60 Meter an, dahinter folgen zwei US-Amerikaner: JuVaughn Harrison kommt auf 8,47 Meter, Jeff Henderson liegt acht Zentimeter hinter seinem Landsmann. Bei den Para-Leichtathleten verbesserte Markus Rehm zuletzt seinen Weltrekord auf 8,62 Meter. Bei den Olympischen Spielen hätte der 32-jährige Behindertensportler also glänzende Chancen auf einen Podestplatz, vom Papier her wäre er gar der Goldfavorit. Doch darum geht es dem unterschenkelamputierten Rehm nicht: Er will mit einem Start in Tokio in einer gesonderten Wertung ein Zeichen setzen.
Es könne jetzt »olympisch-paralympische Sportgeschichte geschrieben werden«, sagte Friedhelm Julius Beucher, Präsident des Deutschen Behindertensportverbandes. Es wäre »ein Quantensprung. Es würde weltweit über die Paralympics hinaus deutlich machen, zu welchen enormen Leistungen Menschen mit Behinderung im Leistungssport in der Lage sind. Das sind Botschaften, die wir brauchen«, ergänzte er. Doch die Entscheidung liegt beim Internationalen Olympischen Komitee (IOC) - und die Zeit drängt. In zwei Wochen findet im neuen Nationalstadion von Tokio die Eröffnungsfeier statt.
Große Botschaft
Für Beucher gibt es jedoch längst »keine Argumente mehr, eine Olympiateilnahme des Prothesenspringers von Bayer Leverkusen zu verwehren. Jetzt hat das IOC die große Chance, am Beispiel Markus Rehm das praktisch umzusetzen, was auch mit Blick auf die Inklusion verkündet wurde.« Sein Ziel sei es, sagte Rehm zuletzt, »eine nachhaltige Veränderung anzustoßen. Und aus diesem Grund geht es mir nicht um eine Medaille, sondern um die Botschaft.« Es gehe um »Werbung für den Parasport und ein Zeichen für Inklusion«. Kinder auf der ganzen Welt sollten vor dem Fernseher sitzen und sehen, so Rehms Wunsch, »dass alles möglich ist, egal welches Schicksal sie erfahren«.
Der gebürtige Göppinger ist vom Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) für einen Olympiastart in gesonderter Wertung bereits vorgeschlagen worden. Die Grundlage dafür sehen Rehm und der DLV in einem Urteil des Internationalen Sportgerichtshofes (CAS) in Bezug auf Sportler mit Prothesen. Rehm wolle mit seinem Start bei den Olympischen Sommerspielen ja auch »niemandem etwas wegnehmen«, betonte Beucher. Er wolle nur »stellvertretend die beeindruckende Leistungsfähigkeit des Parasports und von Menschen mit Behinderung auf einer Weltbühne präsentieren«. Schon bei den diesjährigen nationalen Leichtathletikmeisterschaften in Braunschweig war Rehm außer Konkurrenz gestartet. Er sprang 8,29 Meter, Deutscher Meister wurde Fabian Heinle mit 7,81 Meter.
Unklare Beweislage
Die große Frage in der seit Jahren andauernden Diskussion lautet: Wie stark wirkt sich die Prothese auf die Leistung aus? Der CAS hatte im November 2020 die Beweispflicht umgekehrt. »Das heißt«, erklärt Rehm: »Wenn Zweifel bestehen sollten, dann muss der Verband einen Vorteil nachweisen. Es gibt eine Studie aus 2016, die das nicht abschließend klären konnte.« Klar ist bislang nur: Bei den Paralympics in Tokio einen Monat später wird Rehm so oder so starten. Eine Absage stehe »nicht zur Debatte. Ich bin paralympischer Athlet.« Einer, der ein Zeichen setzen will.SID/nd
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