Erdoğans langer Arm reicht nach Berlin

Regierungskritischer türkischer Journalist offenbar wegen seiner Arbeit angegriffen und verletzt

  • Lesedauer: 2 Min.

Berlin. Der im Berliner Exil lebende türkische Journalist und Erdoğan-Kritiker Erk Acarer ist am Mittwochabend vor seinem Haus von drei Unbekannten angegriffen und am Kopf verletzt worden. Alles deute darauf hin, dass es sich um Anhänger des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan und dessen AKP/MHP-Regierung gehandelt habe, teilte der Journalist auf Twitter mit. Die Berliner Polizei bestätigte am Donnerstag den Angriff im Stadtteil Rudow. Der für politisch motivierte Taten zuständige Staatsschutz im Landeskriminalamt (LKA) ermittelt.

Nun stellt sich eine Frage: Wie weit reichen die Arme des türkischen Staatspräsidenten? Offenbar bis nach Deutschland, auch wenn die Hintergründe noch nicht geklärt sind. Reporter ohne Grenzen zeigte sich schockiert über den Vorfall und fürchtet, dass dadurch andere Exiljournalist*innen im Land eingeschüchtert werden könnten. »Die Behörden müssen dem Verdacht nachgehen, dass der Angriff mit Acarers journalistischen Arbeit zusammenhängt«, sagte der Geschäftsführer des Vereins, Christian Mihr.

Linke-Außenpolitikerin Sevim Dağdelen sieht hinter dem Vorfall ein islamistisch-nationalistisches Erdoğan-Netzwerk, das eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit in Deutschland sei und zerschlagen werden müsse. »Die Bundesregierung muss hier klare Kante gegenüber Erdoğan und seinem AKP-Regime zeigen«, forderte sie.

Mit der Liste repressiver und restaurativer Maßnahmen in der Türkei könnte man mittlerweile Bücher füllen: Vom Verbotsantrag gegen die linke Oppositionspartei HDP über die Einschüchterung und Verhaftung von Journalisten bis zum Austritt der Türkei aus der Istanbul-Konvention ist alles dabei, um aus der Türkei schleichend einen diktaturähnlichen Staat zu formen. Das Europaparlament hat sich am Donnerstag in einer Entschließung besorgt gezeigt über die Unterdrückung der politischen Opposition. Die Regierung müsse dafür sorgen, dass alle Parteien in der Türkei frei arbeiten können.

Der ebenfalls im deutschen Exil lebende türkische Journalist Can Dündar stufte den Angriff auf seinen Kollegen Erk Acarer als »direkte Botschaft« Erdoğans ein. Dieser wolle zeigen, dass die Türkei »einen regimekritischen Journalisten sogar in Berlin angreifen« könne. Ebenfalls am Donnerstag wurde bekannt, dass der Attentäter, der im Mai 2016 in Istanbul auf Dündar geschossen hatte, nicht ins Gefängnis muss: Die Haftstrafe von drei Jahren und einem Monat wurde zur Bewährung ausgesetzt, berichtet dpa. Agenturen/csa Seite 9

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