Kein Bock auf Raubkunst

Künstler*innen protestieren in Berlin gegen die Eröffnung des Humboldt Forums

  • Linda Peikert
  • Lesedauer: 3 Min.

Gehüllt in bunte Stofffetzen laufen sie andächtig einander entgegen. Hinter ihnen die massiven, sandfarbenen Mauern des Berliner Schlosses in Mitte. Passant*innen bleiben auf der Rathausbrücke stehen und beobachten die zwei Personen, wie sie sich mit eindrücklichen Gesängen gemeinsam auf den Weg zum Spreeufer 6 machen. »Ich bin der Welt abhandengekommen«, singt der Mann in weiß-mint-orangem Gewand und roter Fadenperücke auf dem Kopf. Sie trägt ein gelb-blaues Kleid und hält in der linken Hand einen Gong, dessen dumpfe Töne die Stimmung dominieren. Ein großes Banner mit großen weißen Buchstaben wird ausgerollt: »Defund the Humboldt Forum« (Entzieht dem Humboldt Forum die Finanzierung).

Ihre Performance am Freitag ist Teil der Eröffnung des »dekolonialen Aktionsraums Spreeufer«, direkt gegenüber der kritisierten Institution, die am 20. Juli, also in gut einer Woche, ihrerseits feierlich eröffnet werden soll. Decolonize Berlin und zwei weitere Initiativen, Coalition of Cultural Workers Against the Humboldt Forum und Barazani Berlin, haben sich verbündet und fordern, dass das »Preußen-Schloss wieder abgebaut« und der »Geldstrom in sinnvolle dekoloniale Initiativen umgeleitet« wird. Die Kritik richtet sich vor allem gegen den Umgang mit geraubter Kunst aus der Kolonialzeit.

Dirk Teschner hat die Ausstellung im Aktionsraum kuratiert. Eine Vielzahl von Plakaten gegen das Humboldt Forum bedecken eine ganze Wand. »Ich mache da nicht mit, weil mir bei der Verharmlosung deutscher Kolonialverbrechen und dem Abfeiern auf das Christentum und Preußen-Schick die Fantasie durchgeht«, heißt es etwa auf einem Plakat. Nach einem Aufruf haben über 40 Künstler*innen unentgeltlich Plakate für die Ausstellung eingereicht. Einige werden auch bald in der Stadt plakatiert. Auf mehreren Bildschirmen laufen Filme von aktivistischen Künstler*innen, die unter anderem auf Problematiken wie kulturelle Aneignung hinweisen.

Einer dieser Filme stammt von Ina Wudtke. Sie kritisiert die Vorgehensweise des Humboldt Forums stark. »Gegenstände wurden geraubt und die beraubten Personen wollen sie zurückhaben, daraufhin wird gesagt, dass das nicht ginge und die Dinge sterben in einem Glaskasten, statt für den eigentlichen Zweck verwendet zu werden«, sagt Wudtke. Sie findet es unverständlich, Gegenstände, die von Personen für okkulte Zeremonien oder rituelle Tänze gebraucht werden, in Deutschland in großen Mengen zu horten. Wudtke, Teil des Künstler*innenkollektivs Coalition of Cultural Workers Against the Humboldt Forum, wünscht sich, dass die öffentliche Kritik auch nach der Eröffnung des Humboldt Forums nicht abflacht. Sie findet es wichtig, sich als Künstlerin politisch zu positionieren. Es sei schließlich eine ernste Problematik, dass trotz des teuren Baus nun weiterhin monatlich Steuergelder in diese umstrittene Institution fließen. »Überall auf der Welt werden gerade Kolonialstatuen gestürzt, nur bei uns setzt man noch auf die Kuppel ein Kreuz und bringt die Inschrift an, man solle doch niederknien vor Jesus, und behauptet dann, dass sei ein Zeichen für Weltoffenheit. Da sagen wir: Schluss damit!«, so Wudtke. Sie empfinde das Verhalten des Humboldt Forums als provinziell - da würden sich auch viele Stimmen aus Afrika anschließen.

Auch den Performancekünstler*innen vom Beginn liegt die Problematik auf dem Herzen. »Viele von uns sind einfach traurig, dass im Humboldt Forum diese Artefakte ausgestellt sind, die andere Länder zurückfordern«, sagt Shin Hyo Jin. Gemeinsam mit Otto Oscar Hernández Ruiz hatte sie in ihrer Performance verschiedene Welten zusammengebracht und Fragmente kubanischer und deutscher Lieder gemixt. »Es geht in den Liedern um Frust, fast schon Hoffnungslosigkeit, und trotzdem ist noch nicht alles verloren«, sagt Hernández Ruiz. Da sehe er Parallelen zur aktuellen Situation.

Die Ausstellung kann noch bis zum 25. Juli besucht werden, jeweils freitags, samstags und sonntags von 15 bis 19 Uhr. Außerdem haben die Aktivist*innen und Künstler*innen für den 20. Juli eine Demonstration gegen die Eröffnung des Humboldt Forums angemeldet.

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