Katastrophe mit Ansage

Erneut belegt ein Brand mit vielen Todesopfern die Mängel beim Arbeitsschutz in Bangladeschs Fabriken

  • Thomas Berger
  • Lesedauer: 4 Min.

Auch mehrere Tage nach dem verheerenden Großbrand in einem sechsstöckigen Fabrikgebäude in der Industriestadt Rupganj am Rand von Bangladeschs Hauptstadt Dhaka sind Betroffenheit, Trauer und Wut groß. Mittlerweile gibt es einige Erkenntnisse über den Hergang des Unglücks, doch viele Fragen harren nach wie vor einer Antwort. Ermittler sind noch dabei, Licht in die Umstände des tragischen Ereignisses zu bringen. Mehrere Personen sitzen derzeit in Untersuchungshaft, doch ist erst noch zu klären, wen alles eine Mitschuld an der jüngsten Katastrophe dieser Art trifft.

29 Stunden hatten die Einsatzkräfte zu tun, um das am Donnerstag vergangener Woche ausgebrochene Feuer in der Lebensmittelfabrik zu löschen. 18 Feuerwehreinheiten wirkten dabei mit. Mirza Fakhrul Islam Alamgir, Generalsekretär der oppositionellen, rechtskonservativen Bangladesh Nationalist Party (BNP) kritisierte, dass sich das Löschen so lange hinzog. Das mag zwar legitim erscheinen, ist aber eher der Versuch, aus einem weiteren Fabrikunglück politisches Kapital zu schlagen. Die Bilder von der Einsatzstelle illustrieren, dass Feuerwehrleute und weitere Rettungskräfte absolut am Limit waren, um die Flammen einzudämmen, Verletzte zu retten, Tote zu bergen.

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Von drei Todesopfern war anfangs die Rede, auf weitere 49 Leichen stießen die Helfer erst, als sie in schwer zugängliche Bereiche der mittleren Stockwerke vordringen konnten. Versperrte Rettungswege werden als wesentlicher Grund genannt, warum es diese Menschen nicht schafften, sich nach Ausbruch des Brandes aufgrund leicht entzündlicher Chemikalien im Keller in Sicherheit zu bringen. Andere, die auf das Dach des Sechsgeschossers geflüchtet waren, konnten immerhin von dort gerettet werden. Noch immer werden mindestens 50 teils schwer Verletzte in mehreren Kliniken in Dhaka versorgt; viele von ihnen waren aus Fenstern gesprungen. Die Rede ist zudem noch von mehreren Dutzend Vermissten.

Ungewöhnlich schnell wurden am Wochenende acht Personen im Zusammenhang mit dem Brand festgenommen. Dazu gehören der 70-jährige Vorstandschef der Sajeeb Group und Geschäftsführer des Schwesterunternehmens Hashem Food, Abul Hashem, seine vier Söhne im Alter von 21 bis 39 Jahren und weitere Männer in Leitungspositionen. Auch der oberste Gerichtshof des südasiatischen Landes hat sich bereits eingeschaltet. Richter Enayetur Rahim sieht sich für den Moment außerstande, über eine Petition auf Entschädigung, die eine Opferanwältin eingereicht hat, zu entscheiden. Erstens müsse die Identifizierung der Toten abgewartet werden, was mindestens 21 Tage dauern könnte, erklärte Rahim. Und zweitens dürfe er als Einzelrichter kein so weitreichendes Urteil treffen. Allerdings wies er die Generalstaatsanwaltschaft an, dafür Sorge zu tragen, dass die Verletzten die notwendige medizinische Hilfe erhielten. Regierungsvertreter stellten staatliche Finanzhilfe für die Familien in Aussicht.

Das Unglück hat einmal mehr die generelle Frage nach der Arbeitssicherheit in Bangladeschs Fabriken aufgeworfen. Zwar wurden seit der Rana-Plaza-Katastrophe, als im April 2013 beim Einsturz des achtstöckigen Gebäudes einer Textilfabrik 1135 Menschen ums Leben kamen und mehr als 2400 weitere mit teils bis heute anhaltenden Folgen verletzt wurden, im Rahmen der internationalen Vereinbarung »Bangladesch Accord« die vielen Produktionsstätten der milliardenschweren, exportorientierten Textilbranche einer teils erstmaligen Überprüfung zu Brandschutz und Gebäudesicherheit unterzogen. Das allein genügt aber nicht: Bei einem am Sonntag abgehaltenen Webinar, organisiert vom Centre for Policy Dialogue (CPD) und der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES), beklagte nicht nur CPD-Chef Rehman Sobhan einen mangelhaften Informationsaustausch zwischen den staatlichen Behörden und noch immer unzureichenden Kontrollen. Laut einer Studie von CPD, FES und weiteren Partnern ist allein bei den rund 4000 Textilfabriken im Land fast jede vierte noch immer nicht überprüft. Teilweise fehle schlicht das fachkundige Personal für umfassende Inspektionen.

Bei Produktionsstätten anderer Industriezweige sieht es hinsichtlich Kontrollen noch düsterer aus. Davon legen auch andere Zahlen Zeugnis ab: Die Zeitung »Dhaka Tribune« zitierte Erhebungen der Internationalen Arbeitsorganisation, wonach es in den vergangenen fünf Jahren 5834 Brände im industriellen Sektor gab, davon allein 383 im vergangenen Jahr. Mehr als zwei Drittel von diesen betrafen die Textilbranche - ein Fünfjahreshoch, das nach Ansicht vieler Experten illustriert, dass in der Überwachung weiter Lücken klaffen und die Kontrolldichte zuletzt sogar wieder nachgelassen hat.

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