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West-östliches Welterbe

Eine Architekturausstellung mit Museumscharakter bildet den Auftakt für Berlins aktuelle Bewerbung um den Unesco-Titel

  • Mischa Pfisterer
  • Lesedauer: 5 Min.

Der Weg zum Weltkulturerbe ist ein verdammt langer. Auch in Berlin. Frühestens 2025 könnten sich das Hansaviertel und die Karl-Marx-Allee als bedeutende Bauzeugnisse der Nachkriegsmoderne mit der begehrten Auszeichnung der Weltkulturerbestätte der Unesco schmücken. Das doppelte Berlin wäre dann neben einem Teil der preußischen Schlösser- und Parklandschaft im Südwesten, der Museumsinsel und sechs Siedlungen der Berliner Moderne die vierte Welterbestätte in der Hauptstadt. »Das ist für uns ein wichtiger Schritt, den wir über Jahre mit vielen Expertinnen und Experten vorbereitet haben und den wir jetzt hoffentlich erfolgreich weiter gehen«, sagt Berlins Europa-Staatssekretär Gerry Woop (Linke). Im Gegensatz zum ersten Versuch: 2014 fielen die zwei städtebaulichen Ensembles nämlich schon einmal durch, die Bewerbung kam nicht einmal über die Konferenz der Kulturminister der Länder hinaus. Beim zweiten Anlauf soll es jetzt endlich klappen. Die entsprechenden Pläne werden seit Jahren diskutiert. »Wir wollen mit dem Antrag deutlich machen: Das kann nur Berlin machen, die Stadt, wo der Eiserne Vorhang unmittelbar erlebbar war«, gibt sich Woop zuversichtlich.

Das Verfahren wird sich über mehrere Jahre hinziehen. Als nächste Etappe steht im Oktober auch diesmal wieder die Kulturministerkonferenz an, auf der über die Liste der Kulturgüter abgestimmt wird, mit denen sich Deutschland bei der Unesco um den Welterbestatus bewerben will. »Die Zeit der Prüfung in den nächsten Jahren wollen die Berliner Denkmalbehörden zusammen mit Initiativen und bürgerschaftlichen Vereinen nutzen, um die Welterbe-Idee weiter unter die Berliner*innen zu bringen«, sagt Landeskonservator Christoph Rauhut zu »nd«.

Den Auftakt macht die Wanderausstellung »Zwei deutsche Architekturen 1949-1989«, die seit Dienstag im Haus der Statistik nahe des Alexanderplatzes gezeigt wird. Wobei die Schau des Stuttgarter Instituts für Auslandsbeziehungen schon außerordentlich lange auf Wanderschaft ist. Seit 2004 tourt sie um die Welt, war in 26 Städten in 13 Ländern. Nur in Berlin wurde sie - bis jetzt - noch nie vollständig gezeigt.

Das vor fast zwei Jahrzehnten erstmals in Leipzig präsentierte Großprojekt gilt bis heute als erste gesamtdeutsche Darstellung der wichtigsten Bauwerke der Nachkriegszeit und ihrer Architekten. Sie wollte schon damals nicht weniger sein als eine Bestandsaufnahme der Architektur der beiden deutschen Nachkriegsstaaten. Die Ausstellung blickt dabei nicht so sehr auf politische und ideologische Intentionen, vielmehr stellt sie die architektonischen Besonderheiten der vorgestellten Bauten in den Mittelpunkt.

»Wir hatten große Zweifel am Anfang und dachten: Das ist gut für unsere Ausstellung. Aber ob die Thematik irgendjemand im Ausland gleichermaßen provozieren und tangieren wird?«, erinnert sich Kurator Hartmut Frank. Doch genau das tat es. »Zwei deutsche Architekturen 1949-1989« kam weltweit an. 2015 wurde die Schau auf der Architekturbiennale in Buenos Aires zur besten Einzelausstellung gekürt. »Es war überraschend, dass man im Ausland es als viel selbstverständlicher ansah, dass die Architekturen in Ost- und Westdeutschland etwas miteinander zu tun hatten«, sagt der Architekt und ehemalige Hochschullehrer aus Hamburg. »Das Ausland schaute völlig relaxt auf etwas, das zu Hause immer noch schwierig war«, ergänzt die Co-Kuratorin, die Architektur- und Planungshistorikerin Simone Hain.

Die gut gestaltete Ausstellung ist in sechs große Themen gegliedert, paritätisch besetzt mit »Objekten« aus Ost und West: Staat, Kultur und Glauben, Wohnen und Freizeit, Bildung und Ausbildung, Wirtschaft und Verkehr - und natürlich Architekturdiskurse. »Bei der Planung einer solchen Leistungsschau dachten wir, es könnte gut sein, die 40 Jahre Doppelstaatlichkeit von Deutschland als Ausgangspunkt zu nehmen«, erinnert sich Hartmut Frank. »Uns war aber klar, dass wir nicht ohne Weiteres Ost- und Westarchitektur nebeneinander stellen konnten.« Simone Hain fasst den damaligen Arbeitsauftrag so zusammen: »Uns ging es darum, sich einen Begriff zu machen von einer gemeinsamen deutschen Erzählung in unterschiedlichen und systematisch getrennten Ökonomien und politischen Systemen.«

17 Jahre sind nun vergangen - »und die Ausstellung ist selbst ein Museumsstück geworden«, wie Frank sagt. Ausschließlich Schwarz-Weiß-Fotos, reproduzierte Pläne und kleine Holzmodelle: Tatsächlich wirkt »Zwei deutsche Architekturen 1949-1989« ob der Abwesenheit des heutigen Multimediaschnickschnacks nur auf den ersten Blick etwas in die Jahre gekommen. Das Design mit den frei stehenden Stelen, die als Fototafeln dienen, ist angelehnt an die Serialität der 70er-Jahre-Architektur. Kombiniert wird das Ganze mit Planschränken, die man aus Architekturbüros und Architekturarchiven kennt. Man könnte auch sagen: eine zeitlos elegante Präsentation.

»Ich bin total dankbar und glücklich, hier nun als Vor-Band für den Weltkulturerbeantrag stehen zu können«, sagt Simone Hain bei der Eröffnung im Haus der Statistik. »Dass sich Berlin nun anschickt, die beiden großen Wiederaufbaugebiete anzutragen, halte ich rückblickend fast für ein Wunder.«

Da ist zum einen der einstige architektonische Wettstreit um die Moderne zwischen Ost- und Westberlin. Beide Welterbe-Projekte in spe, Hansaviertel und Karl-Marx-Allee, wurden zeitgleich gebaut und standen in direkter Konkurrenz. Die zwei Kilometer lange »erste sozialistische Straße Deutschlands«, die Karl-Marx-Allee, früher Stalinallee, ist gekennzeichnet durch eine Mischung aus sozialistischem Klassizismus und preußischer Schinkel-Schule. In der anderen Stadthälfte wiederum entwerfen bekannte Architekten wie Walter Gropius, Oscar Niemeyer oder Max Taut mit dem im Sommer 1957 zur Internationalen Bauausstellung Interbau eröffneten Hansaviertel ein Viertel im Stil der neuen Sachlichkeit. In nur zwei Jahren Bauzeit war hier am Rand des Tiergartens auf mit Trümmern übersäten Brachen die »neue Vorzeigemetropole der Zukunft« entstanden. Und schon 1957 wird die politische Dimension deutlich, nämlich dass die Interbau »intensiv nach dem Osten ausstrahlen und die Leistungen der westlichen Welt beweisen wird«, so der damalige Regierende Bürgermeister von Westberlin, Otto Suhr (SPD).

Fast 70 Jahre später will Berlin nun mit den beiden Welterbe-Kandidaten Hansaviertel und Karl-Marx-Allee - beide längst denkmalgeschützt - ein neues, gemeinsames Kapitel aufschlagen. Dass die Ausstellung endlich dort angekommen zu sein scheint, wo sie schon immer hingehörte, zeigt das in den Augen von Kurator Hartmut Frank sehr deutlich.

Letztlich bleibt noch eine »wichtige Frage«, die der Architekt Ansgar Schulz bei der Eröffnung der Schau anspricht - die »nach dem Unterschied zwischen Ost und West bei den schönen Häusern von 1949 bis 1989«. Die Antwort, sagt Schulz, sei für ihn ganz klar: »In Bezug auf Architektur und Konstruktion ist der Unterschied nur ein geografischer, letztlich reduziert auf die Frage, wo lag die Baustelle oder welches Material war da. In Bezug auf Architektur und Entwurf im Sinne einer räumlich-skulpturalen und intellektuellen Betrachtung gibt es für mich keinen Unterschied.«

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