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Der einzig wahre Erbe
Tadej Pogacar fährt bei der Tour de France auf den Spuren des großen Eddy Merckx - und könnte eine neue Ära einläuten
Tadej Pogacar schreibt Tourgeschichte. Mit 22 Jahren war er am Sonntagabend auf dem Weg, die Tour de France ein zweites Mal zu gewinnen. Nur zum Vergleich: Jan Ullrich und Eddy Merckx waren jeweils 22, als sie das erste Mal überhaupt zur Tour durften. Ullrich wurde Zweiter, Merckx Neunter - beides galt damals bereits als historische Tat. Pogacar schafft mehr in jüngeren Jahren. Er erreicht es mit seiner schieren Kraft, seiner immensen Erholungsfähigkeit, aber auch mit einer Leichtigkeit, die oft mit einem Lachen begleitet ist.
»Ich liebe es einfach, Rad zu fahren, mich mit den anderen zu messen. Das war früher so mit meinem Bruder und den Kumpels, und es ist auch jetzt hier so, bei der Tour de France«, erzählte Pogacar auf der Pressekonferenz nach der 20. Etappe. Da war es wieder, jenes Lachen, das man bei ihm auch sehr häufig während der Rennen sah. Wenn andere keuchten, manchmal auch mit Absicht, um der Konkurrenz eine nicht vorhandene Schwäche vorzutäuschen, wirkte der Slowene leicht und locker und zeigte unter dem Helm jenen Gesichtsausdruck, der alles noch leichter und lockerer anmuten ließ. Da hatte es zwar mehr die Funktion einer Maske. »Wenn ich mich extrem anstrenge, extrem fordere, kommt einfach dieses Lächeln«, erklärte er.
Aber die Lust am Fahrradfahren, am Spielen mit den Kräften, den eigenen wie denen der Konkurrenz - das nahm man ihm immer ab. Deshalb könnte er eine ganz neue Ära prägen: Die der Leichtigkeit im Sport der Megaerschöpfung. Bei dieser Tour de France strafte er auch eine alte Radsportweisheit Lügen. Sie besagt: Eine zweite Tour de France zu gewinnen ist schwerer als der erste Sieg. Natürlich, viele Einmal-Toursieger scheiterten daran. Ullrich etwa, der Waliser Geraint Thomas, von Überraschungs- und Verlegenheitssiegern wie Carlos Sastre oder Cadel Evans ganz zu schweigen. So leicht, wie Pogacar auf das Double zusteuerte, wird dies auch in der ganz langen Radsportgeschichte selten geschehen sein.
Ein wenig bedauerte er auch, nicht noch mehr Vorsprung herausgefahren zu haben. »Die beiden Siege in den Pyrenäen waren sehr schön. Vor allem die 17. Etappe zum Col du Portet, weil da das Team so fantastisch gearbeitet hat. Aber ich kam da erst sehr spät weg. Ich habe versucht, früher wegzukommen, doch es gelang mir nicht«, sagte er.
Es war ein lässliches Misslingen. Denn seinen Vorsprung hatte Pogacar schon zuvor, in den Alpen herausgefahren. Seine Attacke auf der 8. Etappe am Col de Romme und der Ausbau des Vorsprungs am folgenden Col de la Colombiere war der Schlüsselmoment dieser Tour. Drei Minuten und zwanzig Sekunden holte er insgesamt auf beiden Anstiegen heraus und hatte dann Gelb. Für Stirnrunzeln sorgte, dass er auf einem Anstieg die Allzeitbestmarke um 19 Sekunden verbesserte und am anderen nur eine Sekunde hinter dem dortigen Rekord zurückblieb.
Die bisherige Bestzeit am Col du Romme stammt von der Tour de France 2009, gefahren von den Gebrüdern Schleck, Alberto Contador und Andreas Klöden. Die Etappe damals hatte allerdings ein schwereres Profil. Am Col de la Colombiere stammte die Bestzeit aus dem Jahr 2018, vom damaligen Ausreißer Dan Martin. Nur drei Sekunden hinter dem Iren war damals der Bergzug von Team Sky. Das bedeutet: Pogacar war in diesem Jahr bei seiner tourentscheidenden Attacke auf dem Niveau des Bergzugs von Team Sky von vor drei Jahren. Im Kreuzvergleich bedeutet dies: Nimmt man den Helfern des Sky-Rennstalls sauberes Fahren ab, kann man es auch Pogacar zugestehen. Und umgekehrt.
Aktuell ist dies eine Glaubensfrage. Pogacar lehnt es ab, seine Daten zu veröffentlichen. Deshalb schlägt ihm - abgesehen von seinen gläubigsten Fans - eine Art gebremster Respekt entgegen. Weil seine Leistung so außerordentlich ist und weil er sie in einem Umfeld erbringt, das zumindest in der Vergangenheit mit Dopingfällen auffiel.
Den Respekt erringt er ebenfalls, weil seine Leistungen so außerordentlich sind. Eddy Merckx jedenfalls, die Legende, die mit 23 Jahren erstmals Toursieger wurde, sieht in Pogacar seinen wahren Erben. Fünf-, ja sechs-mal könne der Slowene die Tour gewinnen, meinte er. Angesichts der Jugend des Slowenen bedeutet das aber auch, dass selbst der Bewunderer Merckx nicht damit rechnet, dass Pogacar jede Tour gewinnt, bei der dieser antritt. »Verlieren gehört auch zum Radsport - einmal gewinnt der eine, dann der andere. Das ist das Schöne an unserem Sport«, sagte Pogacar fröhlich. In Zukunft muss er nur noch zeigen, dass ihm auch das Verlieren so spielend leichtfällt wie das Siegen.
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