Laschets Lachen

Ein Fauxpas beim Besuch im Hochwassergebiet bringt den NRW-Regierungschef in die Bredouille. Doch sein deplatziertes Lachen ist es nicht, das ihm zum Problem wird, meint Uwe Kalbe

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 4 Min.

Armin Laschet ist plötzlich Teil der Tragödie, die das Hochwasser dieses Sommers mit sich brachte. Akteure sind die Regierenden zwar immer, wenn sie sich zu solchen Gelegenheiten die Gummistiefel überstreifen und als Tröster und Heiler einen geeigneten Deich als Bühne betreten. Doch der nordrhein-westfälische Ministerpräsident, der gemeinsam mit Frank-Walter Steinmeier in Erftstadt vorbeikam, um den traumatisierten Menschen Hilfe zu versprechen, ist nun Teil des Dramas, selbst Geschlagener. Auch wenn es seine eigene Schuld ist. Im Hintergrund des Bundespräsidenten sah man ihn feixend in einer Gruppe stehen, während Steinmeier den Betroffenen bekundete: »Ihr Schicksal zerreißt uns das Herz.«

Lachen wird nicht verziehen in einer solchen Situation. Vor allem nicht vom politischen Gegner. »Sprachlos« zeigte sich SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil - schriftlich auf Twitter. Charakterliche Defizite erkannte SPD-Vize Kevin Kühnert in Laschets Lachen, auch FDP-Politiker fanden passende Bemerkungen über den Ernst der Lage, die kein Lachen vertrüge. Nur die Grünen blieben auffallend still. Die haben sich Zurückhaltung verordnet, nachdem sich die Wogen gerade ein wenig gelegt haben nach den Vorwürfen gegenüber ihrer Spitzenkandidatin. Sie demonstrieren Regierungsseriosität; ihre defensive Haltung selbst ist die Attacke. Wer zuletzt lacht …

Zur Person
Uwe Kalbe war viele Jahre lang nd-Politikredakteur und berichtete unter anderem über die Bundestagsparteien.

Der Ernst der Lage verbietet jedes Scherzen am Rande der Schlammlawinen. Der Anblick des scherzenden Kanzlerkandidaten dürfte seinen Wahlkampfstrategen deshalb den kalten Schweiß auf die Stirn getrieben haben. Laschet nutzte eine Atempause zum Feixpas. Auf offener Bühne, auch wenn es im Rücken des Präsidenten geschah. Nichts kann die Distanz überbrücken, die Lachen in solcher Situation aufreißt, auch wenn es sie eigentlich nur aufweist. Laschets Lachen hat seine Distanz gezeigt zum Geschehen, seine Trauermiene zuvor konnte diese nur notdürftig bemänteln.

Niemand wird dem Ministerpräsidenten Betroffenheit absprechen. Niemand wird ihm ernsthaft vorwerfen, verlorene Menschenleben, Zerstörungen und Zukunftsangst in den Überschwemmungsgebieten ließen ihn unberührt. Doch Betroffenheit ist ein doppelbödiger Begriff. So lange nicht der eigene Hof, der eigene Hausrat verloren ist, bedeutet sie allenfalls Empathie. Etwas, das die meisten Menschen empfinden dürften, wenn sie die Fernsehbilder sehen, bevor sie sich wieder ihrem Alltag widmen. Und auch im Rheinland wird das Lachen wiederkehren.

Politikern scheint Betroffenheit ins Berufsbild eingeschrieben, Glaubwürdigkeit können sie ohne Empathie nicht glaubhaft machen. Jeder Zweifel, den sie daran aufkommen lassen, kann ihnen zum Verhängnis werden. Doch Politiker sind nicht die besseren Menschen. Laschets Regierungsroutine könnte für viele wie Ignoranz wirken. Und diese Ignoranz ist das eigentliche Problem. Ignoranz, ja Arroganz ist schließlich eine Erfahrung, die Teile der Bevölkerung immer wieder mit der Politik machen. Und es sind immer wieder die gleichen Teile der Bevölkerung. Laschets Lachen ist hier mehr Symbol als Ausrutscher.

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Als wollte sie deren Langmut testen, trifft Regierungspolitik regelmäßig Entscheidungen, die großen Teilen ihrer Wählerschaft materielle Einbußen auferlegen, ihr Leben erschweren, statt es zu erleichtern. Rentenkürzungen, Steuerungerechtigkeit, die Schaffung eines riesigen Niedriglohnsektors, ganz abgesehen von Aufrüstung und Bundeswehreinsätzen, von denen die Bevölkerung mehrheitlich nichts hält, wie Umfragen immer wieder beweisen. Die Politik begleitet ihre Beschlüsse mit einem Lächeln und wohlfeilen Begründungen. Man könnte es Abgebrühtheit nennen, eine Art Gegenentwurf zur Empathie.

Laschets Lachen fällt deshalb auf einen fruchtbaren Boden, in dem das Misstrauen fest verwurzelt ist. Dass die politische Konkurrenz die Gelegenheit nutzt, um den strauchelnden Gegner möglichst zu Fall zu bringen, gehört zu den Gründen für dieses Misstrauen. Gleichwohl sind die Menschen immer wieder gern bereit zu glauben. Zu glauben, dass Politiker sich in ihre Lage versetzen können. Dass es überhaupt um ihre Lage geht, die die Politik antreibt. Bis zur nächsten Enttäuschung.

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