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Passentzug als Strafmaßnahme

Leo Fischer glaubt nicht, dass das neue Staatsangehörigkeitsrecht lange gelten wird

Die deutsche Staatsangehörigkeit ist für viele ein Ziel. Sie wieder zu verlieren soll laut Friedrich Merz künftig leichter werden.
Die deutsche Staatsangehörigkeit ist für viele ein Ziel. Sie wieder zu verlieren soll laut Friedrich Merz künftig leichter werden.

Ein gutes Jahr ist die letzte Reform des Staatsangehörigkeitsrecht gerade mal alt – ob sie sehr viel älter wird, muss sich noch zeigen. Ähnlich wie beim Bürger*innengeld verabschiedet sich hier die schwarzrot gefärbte SPD nahezu widerstandslos von einer mühsam erkämpften Errungenschaft, die schon wieder zur Disposition steht. Im Januar hatte Friedrich Merz die »Doppelstaatler« zu Freiwild erklärt: Menschen mit zwei oder mehr Staatsangehörigkeiten sollten bei Straftaten oder sogar nur auffälligem Verhalten die deutsche wieder verlieren können.

Leo Fischer
Leo FischerFoto ist privat, kein Honorar

Leo Fischer ist Journalist, Buchautor und ehemaliger Chef des Satiremagazins »Titanic«. In seiner Kolumne »Die Stimme der Vernunft« unterbreitet er der Öffentlichkeit nützliche Vorschläge. Alle Texte auf: dasnd.de/vernunft

»Doppelstaatler*in« wird man übrigens nicht nur auf Antrag. Nur ein Beispiel: Wird das Kind zweier Deutscher in den USA geboren, erhält es automatisch die US-Staatsbürgerschaft, ohne die deutsche zu verlieren. Nach Merzens Willen stehen solche Personen künftig unter verstärkter Beobachtung. Das schafft nicht nur Staatsbürger*innen erster und zweiter Klasse: Es lenkt auch Debatten über Strafverfolgung, Bildung und die viel zitierte »Integration« in ein Fahrwasser, in welchem alle Probleme über den Bürger*innenstatus gelöst werden.

In den sich autoritär wandelnden USA wird das gerade durchgespielt. Trump lässt sogar vor Gericht verleugnen, dass Nicht-US-Bürger*innen im selben Maße Anspruch auf rechtsstaatliche Verfahren haben – und rechtfertigte so auch Verschleppungen nach El Salvador ohne Anhörungen. Die neuen konservativen Visionen der EU sind kaum besser: Asylverfahren sollen unter »vereinfachten« Bedingungen und am besten ganz weit weg stattfinden – Rechtsstaatlichkeit gibt es offenbar nur für manche.

Für rechte Politstrateg*innen weltweit ist das Staatsangehörigkeitsrecht ein aufregendes Experimentierfeld. Dinge, die sonst über mühsame juristische und demokratische Verfahren geklärt werden müssten, können handstreichartig durchgezogen werden, wenn man nur Wege findet, den Leuten die Staatsangehörigkeit zu entziehen. Statt eines mühsamen Strafverfahrens durch mehrere Instanzen kann eine Verwaltungsbehörde einseitig den Entzug der Staatsbürger*innenschaft erklären. Formell bleibt die Demokratie intakt, kein einziges Recht wird angegriffen – aber wer von ihr profitiert, kann jederzeit neu ausgehandelt werden. Und ist auch eine Frage des Kapitals: Während Trump das US-Greencard-Programm einstellt, kündigt er gleichzeitig eine »Gold Card« an: für fünf Millionen Dollar soll man sich den dauerhaft garantierten Aufenthalt in den USA kaufen können.

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Die Staatsangehörigkeit wird, frei nach Brecht, »zum edelsten Teil eines Menschen«. Einst Garant für Rechte, wird sie zur Gnade, zur Lizenz, zur Disziplinarmaßnahme. Mit ihr werden gleichzeitig die universellen Rechte entwertet, für die sie einst standen: Das Konzept der unveräußerlichen Menschenrechte selbst steht so unter Beschuss. Künftig müssen sie verdient – oder erkauft werden. Und während sich die einen das Bürgerrecht bald wie einen Tesla konfigurieren, hängen andere in Transitlagern fest, weil ihr »Status« nicht rechtzeitig verarbeitet wurde.

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