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Ein Schloss für Raubkunst
Proteste dekolonialer Initiativen gegen Eröffnung des Humboldt-Forums
Die Tickets sind für den Tag der Eröffnung ausgebucht: Sechs Ausstellungen können im umstrittenen Humboldt-Forum seit Dienstag besucht werden. Darunter auch die Ausstellung «Schrecklich schön. Elefant - Mensch - Elfenbein». Die Ausstellung «wagt sich an dieses komplexe Thema und schafft Verbindungslinien zu einem der Kernthemen des Humboldt-Forums: Kolonialismus und Kolonialität», ist auf der Homepage des Humboldt-Forums zu lesen.
Kolonialismus und Kolonialität sind genau die Schlagwörter, die die Aktivist*innen im Lustgarten vor dem sandsteinfarben Schloss umtreiben. Für sie sind das nämlich auch die Kernthemen, die das neue, alte Preußen-Schloss ausmachen - allerdings nicht auf die reflektierte Art und Weise, die das Museum selbst gerne verkörpern würde. Die zahlreichen Demonstrierenden fordern die Rückgabe von Kulturgütern und Gebeinen aus kolonialen Zeiten und die Aufarbeitung der deutschen Kolonialgeschichte. Mit Kochtopf und lauten Rufen machen sie auf sich aufmerksam, so laut, dass es auch bei der kleinen Eröffnungsveranstaltung mit geladenen Gästen vor dem Schloss zu hören ist. Jede Menge Plakate werden in die Höhe gehalten, und die Pressevertreter*innen stolpern sich im Kampf um das beste Bild gegenseitig über die Füße.
Aktivist*innen und Künstler*innen der Coalition of Cultural Workers against the Humboldt Forum und des Arbeitskreises Barazani Berlin vom Decolonize-Bündnis haben die «Defund the Humboldt Forum»-Demo angemeldet und sind froh, dass so viele Mitstreiter*innen erschienen sind. «Es ist spannend, dass die Protestbewegung gegen das Humboldt-Forum immer weiter wächst, sagt Tahir Della von Decolonize Berlin. Manche hatte befürchtet, dass die kritischen Stimmen gegen das Humboldt-Forum im Sande verlaufen würden, doch die zahlreichen Aktivist*innen, interessierten Passant*innen sowie das große öffentliche Interesse zeigen das Gegenteil.
»Wir fordern, dass sich mit dem Erbe des deutschen Kolonialismus auseinandergesetzt wird: Also sind beispielsweise die Berliner Museen die rechtmäßigen Besitzerinnen dieser Objekte, die im kolonialen Kontext nach Deutschland kamen? Und falls ja, wie geht man mit Rückgabeforderungen um?«
Für Della ist der aktuelle Umgang mit der eigenen Kolonialgeschichte nicht im Ansatz zufriedenstellend. »Das Humboldt-Forum beansprucht inzwischen, diese Debatte mitzubestimmen und zu begleiten - ich kann das nicht befürworten«, ergänzt er noch. Die Institution problematisiere nicht das Königreich Preußen, das maßgeblich an der Kolonialisierung beteiligt war, sondern beziehe sich mit dem Bau positiv darauf. Tahir Della findet, man müsse neu überlegen, was man mit dem Gebäude mache. Eine Idee sei, das Schloss umzuwandeln - wie das Haus der Kunst im Jahr 1945 - und geraubte Kunst dort zu sammeln, um sie dann an die ursprünglichen Eigentümer*innen zurückzugeben.
Ein Beispiel für die umstrittenen Kunst- und Kulturgüter sind die Benin-Bronzen. Sie sollen in den kommenden Monaten ausgestellt werden, obwohl sie zurückgefordert werden. Zwar laufen gerade Verhandlungen, ob einige der Skulpturen zurückgegeben werden. Viele sehen es jedoch äußerst kritisch, dass diese Wertgegenstände, an denen nachweislich viel Blut aus kolonialen Zeiten klebt, nicht sofort mit einer großen Entschuldigung versehen an die ursprünglichen Eigentümer*innen übergeben werden und es stattdessen jahrelange Verhandlungen um Rückführungen gibt.
Neben Negativschlagzeilen bezüglich der Raubkunst und dem unsensiblen Umgang mit der eigenen Kolonialgeschichte, machte das etwa 670 Millionen Euro teure Zentrum für Kultur, Kunst und Wissenschaft auch wegen rassistischer Erfahrungsberichte von Ex-Mitarbeitenden auf sich aufmerksam. So berichtete der Berliner »Tagesspiegel« von prekären Arbeitsverhältnissen, rassistischem Verhalten Vorgesetzter und zahlreichen Kündigungen noch vor der Eröffnung. Viel Stoff also, den das Humboldt-Forum in der nächsten Zeit aufzuarbeiten hat.
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