Begegnungsraum Skaterpark

Straßensozialarbeit im Märkischen Viertel schafft Teilhabe für Jugendliche

  • Lola Zeller
  • Lesedauer: 4 Min.

»Wenn Menschen sich begegnen, dann werden automatisch auch Vorurteile abgebaut«, sagt Mary Brehmer. Sie arbeitet als Streetworkerin bei Gangway, dem deutschlandweit größten Träger von Straßensozialarbeit, und bildet zusammen mit Cem Pancar und Murat Drayef das Team Reinickendorf Nord. Ein Schwerpunkt ihrer Arbeit: der Skaterplatz Plaza im Märkischen Viertel. Am Nachmittag tummeln sich hier Jugendliche zum Skaten, Scootern und BMX-Fahren, Eltern mit kleineren Kindern zum Ballspielen, am Rand sitzen auch ältere Menschen und unterhalten sich.

Während der Sommermonate engagiert sich das Gangway-Team nun zusätzlich jeden Freitag im Rahmen des Projekts Toolbox, das vor Kurzem den Integrationspreis des Bezirks Reinickendorf, den Andreas-Höhne-Preis, verliehen bekommen hat. »Jugendliche können hier Sportgeräte ausleihen oder helfen sich gegenseitig, sie zu reparieren. Wir stellen die Struktur und bieten Unterstützung«, erklärt Murat Drayef. Das Projekt soll zugänglich für alle sein, auch für Jugendliche, die keine eigenen Sportgeräte haben oder Reparaturkosten bezahlen können. »Das Angebot ist komplett kostenfrei. Für den Verleih nehmen wir einen Pfand, aber das kann auch einfach eine Jacke oder etwas anderes sein, was man gerade dabei hat«, sagt Mary Brehmer.

Seit fünf Jahren gibt es Toolbox, entstanden ist es aus der Zusammenarbeit zwischen den Jugendlichen, die ihn nutzen, und dem Gangway-Team. Die Sozialarbeiter*innen hatten nach der Plaza-Eröffnung 2013 Kontakt zu einer Gruppe von jugendlichen Nutzer*innen aufgebaut und nach deren Bedarfen gefragt. »Da entstand dann der Plan, eine Werkzeugkiste vor Ort zu haben, um Geräte reparieren zu können«, erzählt Murat Drayef. Inzwischen sind es drei Zelte für Verleih, Reparatur und Verletzungsversorgung geworden, die hier wöchentlich aufgebaut werden.

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»Das Ziel ist es, etwas anzubieten, an dem alle teilhaben, und gemeinsam etwas zu erreichen. Damit fördern wir Integration«, so Streetworker Cem Pancar. In der Großwohnsiedlung Märkisches Viertel leben 40 000 Menschen aus 120 Nationen in 17 000 Wohnungen auf 3,2 Quadratkilometern. Dass auf so engem Raum Konflikte nicht ausbleiben, sei selbstverständlich. Umso wichtiger sei es, auf ein friedliches Miteinander hinzuwirken, etwa indem man Begegnungsorte schafft.

Integration ist für die Sozialarbeiter*innen des Vereins ein Prozess, um den sich alle Seiten bemühen müssen. »Die Gesellschaft, in die integriert werden soll, muss auch flexible Rahmenbedingungen stellen, sodass jede einzelne Person mit ihren Ressourcen und Eigenarten hier am Alltag teilhaben kann«, sagt Mary Brehmer. Auch deshalb gehe es Gangway um niedrigschwellige Angebote, an denen sich alle Menschen ohne Zugangsvoraussetzungen beteiligen können, wie das beim Toolbox-Projekt der Fall ist. »Wir versuchen, in unseren Projekten Jugendliche so einzubinden, dass sie gemeinsam zusammen ihren Sozialraum gestalten«, sagt die Sozialarbeiterin. Dadurch entstehe Identifikation und Teilhabe, Vorurteile würden abgebaut.

Etwa 600 Jugendliche im Jahr betreut das sechsköpfige Großteam Reinickendorf, zu dem auch das Team Nord gehört. Etwa die Hälfte der Kids werde intensiv betreut, erklärt Brehmer. Das bedeute, über ein Gespräch hinaus mit den Jugendlichen in Kontakt zu stehen und sie gegebenenfalls jahrelang zu unterstützen. Brehmer, Drayef und Pancar können sich in die Problemlagen der Jugendlichen hineinversetzen, mit denen sie es zu tun haben. Alle drei sind in ihrer Jugend selbst von Sozialarbeiter*innen dabei unterstützt worden, ihren Weg zu finden. Pancar und Drayef sind beide im Reinickendorfer Kiez groß geworden.

Das Kerngeschäft der Straßensozialarbeit sind die regelmäßigen Rundgänge durch den Kiez, um mit Jugendlichen Kontakte zu knüpfen und Unterstützung anzubieten. »Das sind vor allem Jugendliche, die ausgeschlossen werden von der Gesellschaft und sich auch selbst ausschließen, weil sie zum Beispiel kein Vertrauen mehr in Erwachsene haben«, sagt Brehmer. Einige seien zum Beispiel auf der Straße anzutreffen, weil sie die Schule schwänzen oder Hausverbote in Jugendclubs haben. »Um es mal vorsichtig zu sagen: Wir arbeiten mit den Jugendlichen, an die niemand mehr rankommt«, sagt Drayef.

Die Verantwortung dafür, strukturelle Probleme zu lösen, liege jedoch bei der Politik. »Wir müssen Probleme erkennen und beschreiben. Die Veränderungen müssen aber auf politischer Ebene, auch auf Senatsebene, erreicht werden«, so Drayef. In dieser Hinsicht wünscht sich der Sozialarbeiter mehr Unterstützung für den Ausbau des preisgekrönten Toolbox-Projekts. Die Jugendlichen hätten gern fest installierte Container auf dem Skaterplatz, um Material zu lagern, was die Bauordnung des Platzes jedoch bis 2023 verbietet. »Bis zum heutigen Tag gelingt es der Politik nicht, eine Lösung zu finden. Wenn wir nachhaltig und mit guter Qualität hier arbeiten sollen, dann müssen auch die Rahmenbedingungen geschaffen werden«, findet Drayef. Wenn so etwas nicht funktioniere, verliere man ganz schnell das Vertrauen der Jugendlichen in die Gesellschaft, sagt der Sozialarbeiter.

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