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Zug kommt später, Bahnwerk früher
DB-Konzern informiert über schnelleren Start des Instandhaltungsbetriebs für den ICE 4 in Cottbus
Mit zehn Minuten Verspätung erreicht der Regionalzug am Dienstag um kurz vor 11 Uhr den Hauptbahnhof von Cottbus. Fünf Minuten hat er aufgeholt auf der Strecke von Berlin über Finsterwalde und Calau. Wer zu dem Termin will, bei dem die Deutsche Bahn AG (DB) über ihren deutlich verkürzten Zeitplan für ein neues Instandhaltungswerk informieren möchte, der schafft es mit flottem Schritt gerade noch rechtzeitig zu dem einige Hundert Meter vom Hauptbahnhof entfernt aufgestellten Festzelt und verpasst selbst bei ein paar Minuten Wartezeit an der Sicherheitskontrolle kein Wort von dem, was DB-Vorstand Ronald Pofalla zur Begrüßung sagt.
Pofalla bittet tief im Osten Deutschlands erst um ein »stilles Gebet« für die mindestens 179 Todesopfer der »unfassbaren Naturkatastrophe« am anderen Ende der Republik. Es wird eine Art Schweigeminute, die allerdings nur wenige Sekunden dauert. Dann leitet Pofalla zum Anlass der Zusammenkunft über: »Ich begrüße Sie auf dem Gelände des neuen Bahnwerks in Cottbus. Zugegeben, viel ist noch nicht zu sehen. Aber hier entsteht die Zukunft.«
Anstelle des bestehenden Instandhaltungswerks sollen zwei neue Hallen gebaut werden. In die kleine, wobei die Bezeichnung klein irreführend ist bei den Ausmaßen, sollen nach der Fertigstellung im Jahr 2024 auf zwei Gleisen komplette Intercity-Expresse ICE Typ 4 zur Wartung hineinfahren können. 25 Meter breit und 444 Meter lang wird sie sein. Der Bau soll im kommenden Jahr beginnen. 2023 startet dann der Neubau einer sogar 570 Meter langen zweiten Halle mit vier Gleisen. Sie soll 2026 fertiggestellt sein.
Es entsteht damit das größte Instandhaltungswerk der Deutschen Bahn. Der Konzern stellt dafür 1200 neue Mitarbeiter ein und verspricht 100 Ausbildungsplätze. Im bestehenden Bahnwerk gibt es 400 Beschäftigte. Dass die Wartung der ICE 4 in Cottbus schon zwei Jahre früher aufgenommen werden kann als ursprünglich geplant, freut sich Ronald Pofalla, der auf die verschiedenen Schwierigkeiten nicht im Detail eingehen möchte, aber verrät, dass es »beträchtliche Probleme« gegeben habe, die in vertrauensvoller Zusammenarbeit gelöst werden konnten. Das Ergebnis: Zunächst habe es geheißen: »Die Kohle geht, die Bahn kommt.« Nun könne man sagen: »Die Bahn kommt, dann erst geht die Kohle.«
Gemeint ist der Ausstieg aus der Braunkohleverstromung, der spätestens 2038, vielleicht auch schon 2035 geschafft sein soll. Pofalla gehörte zu den Vorsitzenden der Kohlekommission, die sich auf diese Daten verständigte. Die Lausitz ist vom Strukturwandel betroffen, wird viele Tausend Arbeitsplätze in den Tagebauen und Kohlekraftwerken verlieren. Umso wichtiger ist es, dass die Bevölkerung sieht, dass sie nicht alleingelassen wird, sagt Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD). »Das klappt, verspricht Scholz. Es werde «weiterhin gut bezahlte Arbeitsplätze» geben. «Viele sagen: ›Gehört habe ich das schon oft‹», weiß der Minister. «Aber das kommt jetzt», versichert er. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) erinnert an die jahrelangen Sorgen um die Zukunft des Bahnwerks. Nun werde es sogar ausgebaut, schwärmt er.
«Die Züge werden pünktlich kommen», ist Bahnchef Richard Lutz überzeugt. Da meint er allerdings nicht die Regionalzüge von Berlin nach Cottbus, die sich häufig verspäten. Er meint die neuen Fernzüge ICE 4. Alle drei Wochen erhalte die DB derzeit einen. Aktuell verfügt die Bahn über fast 80 Stück. Ende 2024 sollen 137 im Einsatz sein. Um so eine große ICE-Flotte instand halten zu können, benötigt der Konzern zusätzliche Kapazitäten, die schnell aufgebaut werden müssen. Lutz nennt die Bahn die klimafreundlichste Art des Reisens - und das steht in Beziehung zu der Unwetterkatastrophe, an die sein Vorstandskollege Pofalla zu Beginn erinnert hat.
«Das Vorziehen einer Ausbaustufe für das Bahnwerk Cottbus ist natürlich eine gute Nachricht für die Lausitz», reagiert der Landtagsabgeordnete Christian Görke (Linke), der im Wahlkreis Cottbus und Spree-Neiße für den Bundestag kandidiert. Ein «Wermutstropfen» sei, dass derweil die Schienenprojekte, die aus den Strukturmitteln des Bundes für die Kohleausstiegsregionen finanziert werden, «nur im Schneckentempo vorankommen». Deshalb schlägt Görke eine länderübergreifende Planungsgesellschaft vor, an der sich Berlin, Brandenburg und die DB beteiligen sollen, «um das bahninterne Nadelöhr Planungsabteilung» zu beseitigen.
Laut Minister Scholz sind Änderungen am Planungsrecht nötig, um beschleunigt Flüge durch Bahnfahrten zu ersetzen und so die Ziele bei der Verringerung des CO2-Ausstoßes zu erreichen. Im Fall des Cottbuser Bahnwerks hatte man es mit dem alten Planungsrecht zu tun und kam auch so hin.
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