- Berlin
- Rechte Polizeichats
Nur die Spitze des Eisbergs
Nach neuen Ermittlungen gegen rechte Polizisten wird ein Untersuchungsausschuss gefordert
Die Polizei Berlin hat ein Problem mit rassistischen und rechtsextremen Chatgruppen. Wieder einmal. Anfang dieser Woche gab die polizeiinterne Ermittlungsgruppe (EG) Zentral bekannt, bereits seit Mai gegen mehrere Beschäftigte vorzugehen, die im Verdacht stehen, während ihres Dienstes rassistische Bemerkungen über Passant*innen gemacht zu haben. Die Anzeige kam demnach aus den eigenen Reihen. Wie die Polizei nun mitteilte, hätten die Ermittlungen in der betroffenen Dienststelle weitere »in absolutem Widerspruch zum Werte- und Selbstverständnis sowie den Aufgaben und Pflichten von Polizistinnen und Polizisten stehende Aussagen« zutage gefördert. Es werde inzwischen gegen fünf Beschäftigte ermittelt, die sich nun disziplinarrechtlich zu verantworten hätten. Einer der verdächtigten Personen wurde die Ausübung der Dienstgeschäfte untersagt.
Die Ermittlungen sind zweifelsohne ein Erfolg für die im Frühjahr eingerichtete EG Zentral. Dass man bei der Polizei mit Blick auf rechte Umtriebe gleichwohl schon lange nicht mehr von bedauerlichen Einzelfällen sprechen kann, dürfte mittlerweile außer Frage stehen. Allein seit vergangenem Jahr seien vier Chatgruppen aufgeflogen, sagt Jan Richter von Entnazifizierung jetzt, einer Initiative, die sich für eine konsequente Aufklärung über die rechten Netzwerke in den deutschen Behörden einsetzt. Und letztlich, so Richter zu »nd«, sehe man ja auch »immer nur die Spitze des Eisbergs«.
Die Frage sei, ob die Aufdeckung »auch wirklich Konsequenzen« nach sich ziehe oder ob »die Beamten bloß an andere Dienststellen versetzt« werden. Da müsse man dranbleiben und den Druck erhöhen. »Auch die Einrichtung der Ermittlungsgruppe ist erst durch den anhaltenden Druck der Öffentlichkeit passiert«, so Aktivist Richter. »Entnazifizierung jetzt«, fordert daher eine unabhängige Untersuchungskommission.
In eine ähnliche Richtung gehen Forderungen der Berliner Linkspartei. »Die Anzahl und die Regelmäßigkeit, mit der immer wieder neue Fälle bekannt werden, zeigen, dass wir ein strukturelles Problem mit Rassismus in der Polizei haben«, sagt der innenpolitische Sprecher der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, Niklas Schrader. Um Anzeigen unter Kolleg*innen zu erleichtern, werde daher die Stelle eines unabhängigen Polizeibeauftragten geschaffen. »Wir brauchen aber auch dringend eine tiefergehende Untersuchung durch einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss«, erneuert Schrader gegenüber »nd« eine Forderung der Linken.
Schrader zeigt sich über die jetzt bekannt gewordenen Vorfälle ebenso alarmiert wie sein Fraktionskollege Hakan Taş. »Die aktuellen Vorkommnisse bei der Berliner Polizei sind zutiefst besorgniserregend«, sagt der integrationspolitischer Sprecher der Linksfraktion. Wer nun immer noch von Einzelfällen spreche, verschließe die Augen vor der Realität. »Ich frage mich, wie viele Chatgruppen und Aktivitäten rechtsextremer Polizeibediensteter weiterhin im Verborgenen bleiben.« Auch Taş ist überzeugt, dass die Polizei ein Problem mit Rassismus habe. »Wer das Problem nicht als solches definiert, wird die Ursachen auch nicht beheben können.«
Benedikt Lux, innenpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, fordert derweil, endlich auch vergangene Amtshandlungen von Polizist*innen, die unter Rechtsextremismusverdacht stehen, gründlich zu überprüfen. »Es ist eine der wichtigsten innenpolitischen Aufgaben, keinen Fußbreit an rechtsextremen und rassistischen Inhalten in der Polizei zuzulassen«, so Lux.
Welche Schritte die Innenverwaltung für angebracht hält, um das Problem in der Behörde zu lösen, ist unklar. Eine nd-Anfrage blieb bis Redaktionsschluss unbeantwortet.
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