- Berlin
- Enteignung
Grünes Kalkül bei den Mieten
Nicolas Šustr über ein »Ja, aber« der Spitzenkandidatin zur Enteignung
Mit dem Wahlkampf-Aufschlag von Spitzenkandidatin Bettina Jarasch für einen Mietenschutzschirm haben die Berliner Grünen zumindest für gehörig Aufmerksamkeit gesorgt. Denn das Versprechen, mit privatrechtlichen Verträgen des Senats mit Vermietern den gekippten Mietendeckel wieder aufleben zu lassen und gleichzeitig den zähen Kampf um die Mietenpolitik zumindest für ein paar Jahre zu befrieden, klingt zunächst durchaus interessant.
So kann Grünen-Reala Bettina Jarasch öffentlich verkünden, dass sie bei dem Volksentscheid für die Sozialisierung großer Wohnungsbestände stimmen wird, dies aber gleich damit begründen, dass die Enteignungsdrohung vor allem ein Druckmittel für die Verhandlungen mit der Immobilienlobby über den Schutzschirm sein soll. Eigentlich perfekt für die gespaltene Wählerschaft der Partei. Das »Ja« zur Enteignung wird nur als Mittel zum Zweck und nicht als ideologisch begründet verkauft.
Die im Wahlkampf so trauten politischen Konkurrenten von SPD und CDU reagieren wie erwartet. »Enteignungen sind für mich nicht der richtige Weg, um die große soziale Frage des bezahlbaren Wohnens zu lösen und wecken kein Vertrauen in den Wirtschaftsstandort Berlin«, lässt die sozialdemokratische Spitzenkandidatin Franziska Giffey per Twitter wissen. »Anstatt sich dem gefährlichen Populismus der Enteignungs-Bewegung entgegenzusetzen, unterwirft sich Frau Jarasch den Kreuzberger Strippenziehern in ihrer Partei«, schäumt hingegen CDU-Generalsekretär Stefan Evers.
Michael Efler von der Linken attestiert den Grünen ein »merkwürdiges Verständnis von direkter Demokratie«. Hunderttausende hätten nicht für einen »freiwilligen und unverbindlichen Mietenschutzschirm« unterschrieben.
Der Grünen-Vorstoß bot also allen Lagern die Gelegenheit, sich noch einmal zu profilieren. Und Jaraschs »Ja, aber« hilft dem Ziel der Initiative Deutsche Wohnen & Co enteignen durchaus dabei, auch Zweifelnde zur Zustimmung zu bewegen. Kein Wunder, dass man dort den Schutzschirm gar nicht kommentieren mag.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.