Zu laut und umweltfeindlich

Wegen des Protests gegen ihre Übungsflüge verspricht die Bundeswehr eine Verteilung von Fluglärmlasten

  • René Heilig
  • Lesedauer: 4 Min.

Irgendwann nervt Fluglärm auch die treuesten Freunde der Bundeswehr. Einer von ihnen ist ohne jeden Zweifel der einstige Bundesfinanzminister Theo Waigel. »Bei einem längeren Aufenthalt in meiner Heimat in Ursberg, Kreis Günzburg, ist mir eine überdurchschnittliche Lärmlast durch Flüge der Bundeswehr wieder einmal aufgefallen«, schrieb der CSU-Ehrenvorsitzende kürzlich an die Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU). Natürlich hält er wie die Ministerin, die Generalität und die Piloten Übungsflüge für notwendig und natürlich weiß er, dass die aus rein technischen Gründen nicht in aller Stille stattfinden können. Dennoch bittet Waigel die Inhaberin der obersten Kommandogewalt darum, die Flüge doch über das gesamte Einsatzgebiet zu verteilen. Gerecht und verhältnismäßig.

In der Tat, der Temporary Reserved Airspace – kurz TRA – der sich auch über die Landkreise Günzburg und Neu-Ulm wölbt, gehört zu den drei meistgenutzten in Deutschland. Laut Bundeswehr wurde dieser TRA Allgäu im vergangenen Jahr 486 Stunden lang von Militärjets genutzt. Rund 400 Mal tummelten sie sich an über 200 Tagen in dem reservierten Luftraum. In verschiedenen Höhen und werktags oft auch noch nach 20 Uhr. Erst kurz vor Mitternacht muss Schluss sein.

Spitzenreiter beim Luftkampfüben in Deutschland ist jedoch der TRA Friesland. Der Raum wird »aufgrund der räumlichen Überlagerung« von der Luftwaffe gemeinsam mit dem TRA Weser abgerechnet. Vor allem entlang der Nordseeküste mussten Bürger im vergangenen Jahr 974 Stunden Jetgetöse ertragen. Hier mehr, dort weniger.
Kaum besser ergeht es jenen, die unter dem TRA Lauter leben müssen. Das Areal umfasst annähernd das gesamte Saarland sowie die Westpfalz und wurde 2020 von der Deutschen Luftwaffe und der US Air Force 731 Stunden genutzt. Das ist ein Plus von 2,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr, erfuhr die Bundestagsabgeordneten Brigitte Freihold auf Nachfrage vom Parlamentarischen Staatssekretär Thomas Silberhorn (CSU). Der erklärte der Linkspartei-Abgeordneten die Gründe dafür. Zunächst einmal sei da die Verbesserung der materiellen Einsatzbereitschaft der Bundeswehr zu nennen. Außerdem gehe es beim Üben um nicht weniger als um die Bereitschaft zur Landes- und Bündnisverteidigung. Überdies gebe es einen erhöhten Ausbildungsbedarf nach Beendigung des Anti-IS-Tornado-Einsatzes in Jordanien. Sodann erläuterte der Staatssekretär verschiedene Maßnahmen im Rahmen »freiwilliger Selbstbeschränkungen«.

Waigels Parteifreund teilte zudem mit, dass die »temporäre Verlegungen der in Spangdahlem stationierten US Air Force 52nd Fighter Wing ins Ausland« in den vergangenen Jahren »zu einer weiteren, spürbaren Entlastung der Bevölkerung« geführt haben sollte. Auch in diesem Jahr hätten die US-Truppen »bereits eine Verlegung (von Teilen) des Geschwaders durchgeführt«.

Die von Waigel und anderen Beschwerdeführern angemahnte gerechte Verteilung der Umweltbelastungen ist für das Verteidigungsministerium selbstverständlich. Im 1. Quartal 2021, so wird mitgeteilt, sei eine gleichmäßige Verteilung des Flugbetriebs auf die vergleichbaren (größeren) Übungslufträume (TRA Lauter, TRA Weser, TRA Friesland, TRA Allgäu und MVPA) »annähernd erreicht« worden.

Trotz der getroffenen Maßnahmen nehme man zur Kenntnis, dass »die Anzahl der Lärmbeschwerden hinsichtlich der TRA Lauter, an den Flugplätzen Ramstein und Spangdahlem sowie am Truppenübungsplatz Baumholder insgesamt weiter deutlich zugenommen« hat. Doch, so ermittelte das Verteidigungsministerium: »Die hohe Gesamtzahl beruht hauptsächlich auf Eingaben weniger Bürgerinnen und Bürger.« So hätten im vergangenen Jahr 204 »Dauer-/Mehrfachpetenten« 87 Prozent der Beschwerden abgeschickt. Als Übel ausgemacht haben Kramp-Karrenbauers Leute auch die »Digitalisierung des Beschwerdewesens« durch die Bürgerinitiative gegen Fluglärm, Bodenlärm und Umweltverschmutzung. In der Tat, die zivilen Lärmwächter erfassen nicht nur die Zeiten und die Dauer der militärischen Flüge, schätzen den möglichen Treibstoffverbrauch ab und rechnen beides in Schadstoffausstoß um, sie stellt auf ihrer Internetseite (www.fluglärm-kl.de) auch – sehr zum Leidwesen des Verteidigungsministeriums »eine vereinfachte Möglichkeit zur automatisierten Beschwerdeerstellung« zur Verfügung.

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