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Müsli und ein Malbuch

Wahlkampf am Bahnhof: Anja Mayer (Linke) verteilt Frühstück an Pendler

  • Andreas Fritsche, Nauen
  • Lesedauer: 4 Min.
Anja Mayer und hinter ihr Sascha Lorenz-van den Brandt am Bahnhof Nauen
Anja Mayer und hinter ihr Sascha Lorenz-van den Brandt am Bahnhof Nauen

Am Montag kurz nach 7 Uhr biegt Bundestagskandidatin Anja Mayer (Linke) mit ihrem Lada Taiga auf den Parkplatz vor dem Bahnhof Nauen im Landkreis Havelland ein. Den Kofferraum hat sie mit Müsliriegeln, Getränken und Informationsmaterial beladen. Das wird sie gleich in Tüten stecken und an Pendler verteilen. Einige Leute, die zur Arbeit nach Berlin eilen oder von der Nachtschicht in der Hauptstadt zurückkommen, kennt sie bereits. Denn Mayer macht Frühwahlkampf hier nicht zum ersten Mal. Oft stand sie dafür sogar schon um 6 Uhr am Bahnhof.

Heute hilft ihr Sascha Lorenz-van den Brandt. Der Steinmetz und Bildhauer aus Fürstenwalde (Oder-Spree) arbeitet gegenwärtig als katholischer Religionslehrer an einem Gymnasium in Frankfurt (Oder). In die Linkspartei ist er vor anderthalb Jahren eingetreten, nachdem die AfD bei der Landtagswahl 23,5 Prozent der Stimmen einheimste. Das alarmierte ihn. Er wollte etwas tun. Im Bundestagswahlkampf unterstützt der 44-Jährige normalerweise den Kandidaten Stefan Kunath (Linke) in Ostbrandenburg.
Was hat ihn bewogen, sich in den Zug zu setzen und als Wahlkampfhelfer ins Havelland zu reisen? Anja Mayer hatte in ihrem nordwestbrandenburgischen Wahlkreis eine Holzskulptur fotografiert, das Bild ins Internet gestellt und dazu die Quizfrage, wo das sei. Lorenz-van den Brandt wusste Bescheid, konnte nicht nur den richtigen Ort Frankendorf nennen, sondern auch den Namen des Bildhauers, den er als Künstlerkollegen mal auf einem Symposium getroffen hatte.

Zu gewinnen gab es beispielsweise einen Grillabend mit Anja Mayer. Doch der Reli᠆gionslehrer wollte der Politikerin lieber einen Tag lang beim Wahlkampf zur Hand gehen. So steht er nun in schwarzer Hose und schwarzem Hemd, mit roter Krawatte und roten Turnschuhen vor dem Bahnhof und packt in Windeseile Tüten mit Müsli und Infomaterial. Wenn in seinem Rücken ein Fahrgast durchläuft, dreht er sich blitzschnell um und fragt freundlich: »Darf ich Ihnen ein kleines Frühstück mitgeben?« Anja Mayer macht es genauso. Die Aktion kommt an. Etwa sieben von zehn Vorübergehenden greifen zu. Nur selten lehnt jemand entrüstet ab. Viele bedanken sich herzlich. Eine Frau strahlt Mayer an: »Woher wussten Sie, dass ich mein Frühstück vergessen habe?« Ein Bauarbeiter läuft extra noch einmal zurück und holt drei Tüten für seine wartenden Kollegen.

Bereits um 9.26 Uhr werden die Wahlkämpfer Tüte Nummer 130 los. Es ist die letzte. Mehr Getränke hat Mayer nicht dabei, aber noch ein Malbuch für einen kleinen Jungen. Sie ist nicht mehr überrascht, dass es so prima läuft. Genossen aus Nauen hatten vor dem ersten Frühwahlkampf am Bahnhof gewarnt, mehr als 20 Tüten werde sie wohl nicht benötigen. Schließlich ist Nauen ein heißes Pflaster für die Linkspartei. Es gab mal eine Serie von Anschlägen auf die Geschäftsstelle in der Altstadt. Nauen ist berüchtigt für seine Naziszene. 2015 steckte der damalige NPD-Stadtverordnete Maik Schneider eine Turnhalle in Brand, die als Notunterkunft für Flüchtlinge vorgesehen war.
Doch Anja Mayer ließ sich nicht entmutigen und verteilte gleich beim ersten Pendlerwahlkampf 100 Tüten. Gemessen daran müsste Die Linke bei der Bundestagswahl am 26. September in Nauen die absolute Mehrheit der Stimmen erhalten. So wird es natürlich nicht kommen, weiß Mayer.

Aber die Bemühungen werden nicht ganz umsonst gewesen sein. Pro 37 persönliche Kontakte im Wahlkampf gibt es eine Stimme für Die Linke, ist Mayer vorgerechnet worden. Sie kämpft unermüdlich um jede einzelne, auch wenn ihre Chance ziemlich gering scheint, den flächenmäßig drittgrößten Wahlkreis Deutschlands zu gewinnen. Wahrscheinlich verteidigt der Bundestagsabgeordnete Sebastian Steinecke (CDU) sein Mandat. Schon ein Sieg von Wiebke Papenbrock (SPD) wäre eine Überraschung.

Von Mayer erwartet niemand etwas. Sie könnte allerdings, wenn Die Linke bundesweit ein anständiges Ergebnis erzielt, über Platz drei auf der Landesliste ihrer Partei ins Parlament einziehen. Zwei Mandate wird Brandenburgs Linke sicher bekommen, wenn die Partei die Fünf-Prozent-Hürde überspringt, vielleicht auch drei Mandate. Das ist zusätzlicher Ansporn, beim Wahlkampf nicht nachzulassen. So ziehen Mayer und ihr Helfer, die viel miteinander lachen, vom Bahnhof aus durch Nauen, um Postkarten in Briefkästen einzuwerfen, mit denen sich die 41-Jährige den Wählern vorstellt. Sie schreibt dort: »Als Arzthelferin, ausgebildet in einer Landarztpraxis, sind Gesundheit und Pflege meine Herzensthemen.«

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