Die dem Tourismus dienen

Hauptstadt-SPD will eine Milliarde Euro für Corona-Neustart ausgeben

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 4 Min.

»Wir brauchen eine Haltung, die sich nicht beschwert über die Rollkoffer, sondern sagt: Gäste sind willkommen«, erklärt die Berliner SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey in Abgrenzung zu Grünen und Linken. Sie steht auf der Dachterrasse des Clubs »Weekend« am Alexanderplatz. Gemeinsam mit Co-Landeschef Raed Saleh stellt sie das »Zukunftsprogramm Neustart Berlin« vor. Eine Milliarde Euro soll dafür laut Vorstellungen der SPD bis 2025 fließen. »Das war hier früher das Haus des Reisens, insofern passt es, weil es um Tourismus geht«, so Giffey.

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»250 000 Berlinerinnen und Berliner leben vom Tourismus«, unterstreicht Raed Saleh. Konkret unterstützt werden soll die Branche unter anderen durch die Verlängerung von Überbrückungshilfen, selbst wenn der Bund sie auslaufen lassen sollte. Das wird wohl nötig sein. »Im Vergleich zum Juli 2019 hatte die Hotellerie im vergangenen Monat 50 Prozent weniger Umsatz«, berichtet Christian Andresen, Präsident des Berliner Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga Berlin). Obwohl seit rund zwei Wochen wieder mehr Flugzeuge am Himmel zu sehen seien und die Auslastung der Herbergen höher als im Juli 2020 ist, liegen die Umsätze im abgelaufenen Monat sogar unter den Werten des Vorjahresmonats. Grund ist das komplett am Boden liegende Messe-, Kongress- und Geschäftsreisengeschäft. In den ersten sieben Monaten des laufenden Jahres wurden sogar 78 Prozent weniger umgesetzt als im Vergleichszeitraum von 2019, des letzten kompletten Jahres vor der Corona-Pandemie.

»Wenn es eine Attraktivität gab in Berlin, dann die, dass die Leute zu uns kamen«, sagt Saleh. Es sei in den letzten zwei Jahren viel Geld in die Hand genommen worden, um die Berliner Wirtschaft zu stützen. Allein 2020 flossen laut dem am Mittwoch von Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) vorgelegten Wirtschafts- und Innovationsbericht coronabedingt 4,4 Milliarden Euro an Bundes- und Landeshilfen in die Berliner Wirtschaft, womit über 440 000 Arbeitsplätze gesichert worden sein sollen. »Man spart nicht in der Krise, sondern wir wollen aus der Krise heraus wachsen«, erklärt Saleh.

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»Die Museen in London sind da, die Schlösser in Paris sind da. Unsere Clubs, unsere Kultur können noch wachsen«, so der SPD-Fraktionschef weiter. Er spricht von weltweiter Konkurrenz - andere Städte lauerten darauf, Berlin gerade Messen und Kongresse wegzuschnappen. Die SPD stehe für »eine zukunftsgerichtete Wirtschaftspolitik. Kleckern hilft da nicht weiter«.

Doch bis auf die nicht bezifferbaren Überbrückungshilfen kommen bei den vorgestellten Maßnahmen zusammen rund 70 Millionen Euro heraus. Zwei bis sechs Millionen Euro beispielsweise für den Erlass von Sondernutzungsgebühren für Schankvorgärten oder auch vom Handel genutzte Flächen auf öffentlichem Straßenland. Im Vergleich zu den Mieten sind es Kleckerbeträge, und das beispielsweise in Friedrichshain-Kreuzberg teils rigide Genehmigungsprozedere wird vor allem als problematisch empfunden.

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Geld soll auch in die Anwerbung von Messen und Kongressen fließen oder Werbekostenzuschüsse für die Kulturszene. Außerdem soll jede Berlinerin und jeder Berliner zwischen 16 und 21 Jahren einmalig einen Kulturgutschein im Wert von 100 Euro erhalten, »Ob Club oder Theater - er kann für jede kulturelle Veranstaltung genutzt werden«, erläutert die Spitzenkandidatin. Sie habe sich diese Idee aus Frankreich abgeschaut, räumt sie ein, selbst wenn hier wohl kein Plagiatsvorwurf zu erwarten ist. Alle Altersgruppen sollen von einem »Tag der Kultur« mit freiem Eintritt in alle Kulturorte profitieren, wünscht sich Franziska Giffey. Das Hauen und Stechen um die Tickets will man sich allerdings lieber nicht vorstellen.

»Der Patient hat überlebt, aber meldet sich nicht gleich im Fitnessclub an. Wir sind wacklig auf den Beinen«, berichtet Berndt Schmidt, Intendant des Friedrichstadt-Palastes über die Kulturbranche. Er findet die Ideen der SPD gut. »Wir brauchen Geld und ein bisschen Berechenbarkeit. Ich möchte auch Kultursenator Klaus Lederer von der Linken nennen, der sich enorm eingesetzt hat«, sagt Schmidt.

Wie kommt es nun zu der veranschlagten Milliarde? Man wolle lieber großzügig rechnen als am Ende zu knausrig zu sein, sagt Raed Saleh. Franziska Giffey erklärt, dass auch die von ihr innig propagierte »Hauptstadtanbindung für den Hauptstadtflughafen«, also der Berliner Anteil der Verlängerung der U7 von Rudow zum BER, enthalten ist. Sogar für Radwege sollen Mittel vorgesehen werden. »Eben Dinge, die dem Tourismus dienen«, so Giffey.

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