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Wütende Trolle

In Chinas sozialen Medien wird Olympia heftig politisiert

  • Fabian Kretschmer, Peking
  • Lesedauer: 3 Min.

In China kann auch eine Silbermedaille Anlass für eine tränenreiche Entschuldigung sein. »Das ganze Land hat sich auf dieses Finale gefreut. Ich glaube, unser gesamtes chinesische Team kann das Ergebnis nicht akzeptieren«, sagte der 31-jährige Tischtennisspieler Xu Xin, nachdem er mit Partnerin Liu Shiwen im gemischten Doppel gegen Japan verloren hatte.

Der nationalistische Internetmob war außer sich: Zum ersten Mal seit 13 Jahren war die chinesische Siegesserie gerissen, ausgerechnet gegen den Erzfeind. Das kaiserliche Japan hatte schließlich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts Teile Chinas besetzt und brutale Verbrechen an der Bevölkerung begangen. Auf Weibo, einer sozialen Plattform ähnlich wie Twitter, schäumten die Emotionen über: Jeder Chinese müsse die »Blutrache gegen Japan im Kopf behalten«, meinte etwa ein Nutzer. Andere wünschten, dass »diese Insel endlich untergehen« möge.

Die Wuttirade wird vor allem von der internetaffinen Millennial-Generation angeführt. »Kleine Pinks« werden die patriotischen Internetuser im Chinesischen genannt. Ältere Semester dürften sich zwar noch sehr gut an die Strategie der sogenannten »Wolfsaufzucht« erinnern, die der chinesische Tischtennisverband noch in den 2000ern propagierte: Aus Angst, dass die chinesische Dominanz der internationalen Attraktivität des Sports schaden könnte, förderte man aktiv die Emigration von chinesischen Spielern ins Ausland. Doch solche Nuancen gehen im Online-Diskurs unter. In den letzten Jahren hat sich die Stimmung unter Xi Jinping zudem stark gewandelt. Die politische Führung fördert den neu gewonnen Nationalstolz, der nicht selten in handfeste Fremdenfeindlichkeit kippt.

Ein rotes Tuch ist zudem der Inselstaat Taiwan, der von Peking als abtrünnige Provinz betrachtet wird, die es notfalls militärisch einzuhegen gilt. Umso schmachvoller empfanden viele chinesische Internetnutzer am Samstag die Niederlage gegen die Taiwaner Lee Yang und Wang Chi-lin im Badminton-Doppel-Finale. »Gegen Taiwan zu verlieren war eine Schande. Ich hoffe, dass wir uns daran erinnern werden: Taiwanesen sind nicht unsere Geschwister, sondern Feinde«, lautete darauf ein viel gelikter Kommentar auf Weibo. Er gehörte zu den freundlicheren Postings.

Taiwans Athleten dürfen auf Druck Pekings nur unter dem Namen »Chinesisch Taipeh« antreten und auch die offizielle Flagge nicht verwenden. Als die Sportler bei der Eröffnung in Tokio das Stadion betraten, unterbrach Chinas Streaming-Dienst Tencent kurzerhand die Übertragung - und schaltete auf eine Sport-Talkshow um. Da die Zensoren nicht rechtzeitig zurückschalteten, verpassten die Zuschauer auch den Einlauf Festlandchinas.

Eine starke Politisierung der Olympischen Spiele zeigt sich in China auch an anderen Stellen. Das chinesische Konsulat in New York schäumte über den US-Fernsehsender NBC, der eine China-Karte ohne Taiwan und die Territorien im Südchinesischen Meer verwendete. Gewichtheber Shi Zhiyong widmete in Tokio seine Goldmedaille der Kommunistischen Partei, die dieses Jahr ihr 100. Jubiläum feiert. Am Dienstag trugen die chinesischen Bahnrad-Sprinterinnen Anstecknadeln mit dem Konterfei Mao Tse-tungs bei der Siegerehrung. Das IOC, stets auf politisch neutrale Spiele bedacht, prüft nun einen Regelverstoß.

Doch die nationalistischen Untertöne sind wohl nur ein Vorgeschmack auf den kommenden Februar: Dann nämlich finden die Olympischen Winterspiele in Peking statt.

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