Mississippis Modern-Blues

Plattenbau. Die CD der Woche: »662« von Christone Kingfish Ingram

  • Christopher Strunz
  • Lesedauer: 2 Min.

Der afroamerikanische Bluesmusiker Christone »Kingfish« Ingram ist erst 22 Jahre alt und hat schon 2019 ein Debütalbum veröffentlicht, das überraschenderweise weit über die Grenzen des Genres hinaus angenommen wird. Kingfish kommt aus Clarksdale, Mississippi, einer Kleinstadt im Süden der USA, die eng mit der Geschichte des Blues verbunden ist. Früh entschied sich Kingfish für die Gitarre und damit auch gegen Hip-Hop und Ähnliches, das seine Bekannten bevorzugten, um eigene Wege zu gehen.

Nach dem sehr gelungenen Debüt folgt nun schon das Album »662«, der Titel steht als Telefonvorwahl für die Region Mississippi, in der er lebt. Christone »Kingfish« Ingram ist also ein Landei, er legt Wert darauf, dass für seine Musik Mississippi und Clarksdale wichtig sind. Diese Treue gegenüber dem Regionalen hat vielleicht auch damit zu tun, dass Mississippi als ziemlich strukturschwache Gegend gilt, wo es leider vergleichsweise viel Armut gibt. Hier ist also der berühmt gewordene Bluesmusiker zu erreichen, Anschluss nur unter dieser Nummer.

Wie auf dem Debütalbum 2019 arbeitet Kingfish auf »662« angenehm vielseitig an der tradierten Vorstellung von Bluesmusik, die seit Robert Johnson (1911–1938) im Kern auf der Gitarre und dem Gesang basiert, bestimmte Rhythmen, Spielweisen extra wiederholt und dabei auch eigene Formulierungen in der musikalischen Sprache hervorgebracht hat. Kingfish hat eine sehr gut eingespielte Band. Er fängt gleich mit der elektrischen Blues-Gitarre an und markiert so den Unterschied zum Mainstream-Rock nach Donald Trump. Schon auf dem Opener »662« kann man die Verbindungen zum Rock ’n’ Roll erkennen – doch es bleibt Blues, musikalisch und textlich, in der modernen Spielweise von Kingfish. Das gilt auch für den Song, den er seiner früh verstorbenen Mutter gewidmet hat und der dann tatsächlich »Rock & Roll« heißt.

Bei dem Song »Another Life Goes By« mixt er auf originelle Art Musik- und Textebene: Es geht in den Lyrics gegen Hass, Gewalt und Rassismus, und dazu wird zum soliden Drumbeat, die E-Gitarre kühl nach vorne gespielt. Ein klares, linkes Lied, international verständlich. Das ganze Album hat, typisch Kingfish, wieder sowohl eine seltsam altmodische als auch eine progressive Seite. Man hört ihm einfach den Prince an, sein afroamerikanisches Superstar-Vorbild aus Minneapolis.

»That’s All It Takes« ist vielleicht der schönste Song auf diesem insgesamt sehr angenehm zu hörendem zweiten Album von Kingfish, der auch in Zukunft wohl weiter den regionalen Blues von Mississippi international weiterentwickeln wird.

Christone Kingfish Ingram: »662« (Alligator Records)

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