- Berlin
- Geflüchtetenpolitik
Das Amt für die Krisengeplagten der Welt
Seit fünf Jahren gibt es das Berliner Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten
Das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) begeht seinen fünften Geburtstag. Es ist die jüngste Berliner Behörde. Gegründet wurde sie 2016 nach dem Chaos vor dem Landesamt für Gesundheit und Soziales, das bis dahin für die Flüchtlingsunterbringung zuständig war. 550 Mitarbeiter kümmern sich heute um die Registrierung, Unterbringung und Versorgung der Geflüchteten in Berlin. Viele kommen nicht aus Verwaltungsberufen, sie sind im Durchschnitt jünger als Mitarbeiter in anderen Behörden. Und: Sie schätzen die Arbeitsatmosphäre als kollegial und ihre Arbeitsaufgaben als »nah am Menschen«.
Sehr gewandelt habe sich innerhalb der fünf Jahre die Qualität der aktuell 82 Unterkünfte. »2016 hieß es: Hauptsache ein Dach über dem Kopf«, sagt Jana Borkamp vom LAF. Es gab noch Turnhallen und andere Notunterkünfte. Die sind inzwischen alle geschlossen. Unter den 58 neu errichteten Unterkünften sind zunächst die »Tempohome« genannten grauen Containerdörfer, aber auch 22 neu gebaute modulare Unterkünfte, in denen Bewohner mehr Platz und eigene Sanitärräume und Küchen haben. Mehrere Unterkünfte sind auf Gruppen mit speziellem Bedarf ausgerichtet: Auf allein reisende Frauen mit Kindern, auf queere Menschen oder auf pflegebedürftige Flüchtlinge.
Während die Zahl der Neuankömmlinge in Berlin seit 2015 kontinuierlich zurückging und 2020 pandemiebedingt den historisch niedrigsten Wert von 4600 erreichte, kommen seit diesem Sommer wieder mehr Asylsuchende neu an. Es ist eine Berliner Besonderheit, dass sie vor allem aus Moldau, Georgien und Vietnam stammen, während beispielsweise in Hamburg vor allem Afghanen Asylanträge stellen. Die große Zahl neuer Moldawier war Gegenstand eines Berichtes des RBB. Dort ist die Rede von »Asyltourismus«, »Drogenmissbrauch« auf der Grünfläche vor dem Ankunftszentrum und dem »Erschleichen von Sozialleistungen« durch »große Familien aus Moldau, die nicht selten aus zehn Personen bestehen« und bis zu 4500 Euro bekommen würden. Der RBB stützt sich auf einen Brief der Behördenleitung des LAF an die Senatsverwaltung für Integration. In dem Schreiben heißt es, die Freude über den hohen Geldbetrag »ist enorm und es wird umgehend jeder Bekannte kontaktiert, um darüber zu berichten.«
Auf Nachfrage von »nd« relativiert LAF-Präsident Alexander Straßmeir diese Behauptungen. Drogenmissbrauch und Verwahrlosung auf der Grünfläche vor dem LAF hätten nicht unbedingt etwas mit Asylbewerbern zu tun, denn die Grünfläche sei frei zugängig und es befänden sich auf dem Gelände auch andere soziale und gesundheitliche Einrichtungen. Seine Behörde habe den Senat aber auf das Problem aufmerksam gemacht, weil sie wollte, dass dem LAF das Hausrecht über die Grünfläche übertragen wird. Seit dem Wunsch entsprochen worden ist, habe sich die Situation durch Bestreifung und Ansprechen von Drogendealern deutlich verbessert, so Straßmeir
Die 4500 Euro seien zudem ein extremer Ausnahmefall, etwa wenn eine große Familie pandemiebedingt Beträge gleich für drei Monate ausgezahlt bekommt und sich selbst versorgt, weil Plätze in Erstaufnahmeeinrichtungen, wo es Sachleistungen gibt, nicht frei sind. Der Präsident des Landesamtes für Flüchtlingsangelegenheiten vermutet, dass steigenden Antragszahlen von Menschen aus der Republik Moldau mit der sozialen Not dort zusammenhängt, so dass Asylbewerberleistungen für viele attraktiv seien.
Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke) sagte hingegen im RBB, sie suche noch nach einer Erklärung für die seit zwei Monaten stark gestiegene Zahl neu eingereister Moldawier. Der Flüchtlingsrat kritisiert Brief und RBB-Bericht scharf und spricht von »pauschalen Verdächtigungen und rassistischen Klischees statt Fakten«. Aus Moldau kämen, so der Flüchtlingsrat, vor allem Roma, »die dort durch Behörden diskriminiert werden, oft keinen Zugang zu Wohnung und Meldeadresse, zu Bildung, Arbeit und Gesundheit« hätten.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.