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Versöhnung statt Jobs
Cyrus Salimi-Asl über die Pläne des neuen iranischen Präsidenten
Der neue iranische Präsident Ebrahim Raisi hat sich viel vorgenommen für seine Amtszeit: Er will die Beziehungen zu den Nachbarländern verbessern, einen Kompromiss im Streit um das iranische Atomprogramm erreichen und den Iran aus der desolaten Wirtschaftskrise herausführen. Nach seiner Vereidigung am Donnerstag schlug er patriotische Töne an: »Ich will einen neuen Iran, den des 21. Jahrhunderts, und eine nationale Versöhnung.«
Wie diese jedoch gelingen kann, bleibt ein Rätsel. Die Mehrheit der Iraner wollen das autokratische Regime loswerden, insbesondere die junge und gebildete, urbane Mittelklasse ist seiner überdrüssig: Wegen fehlender Jobs kann sie mit ihren Bildungsabschlüssen nicht viel anfangen und sieht keine Zukunftschancen im eigenen Land – und sie leidet unter den repressiven und frauenfeindlichen Gesetzen. Da muss Raisi schon etwas anbieten, wenn er heute die Menschen im Land halten will, die morgen eigentlich zur Führungsschicht gehören würden.
Zuerst aber müsste der 60-jährige Staatspräsident seine Rolle klären, die er in den 1980er Jahren als Staatsanwalt inne hatte. In dieser Zeit soll er für zahlreiche Verhaftungen und Hinrichtungen politischer Dissidenten verantwortlich gewesen sein. Raisi gilt als erzkonservativ und wird auch als Nachfolger des Obersten Führers des Irans, Khamenei, gehandelt. Will er diesen Thron erklimmen, muss er vor allem das tägliche Leben der Iraner spürbar verbessern: Arbeitsplätze schaffen, Inflation eindämmen, Corona-Pandemie in den Griff kriegen, Engpässe bei Wasser und Strom eindämmen.
Gelingt ihm das nicht, droht die iranische Gesellschaft zu explodieren – mit Aufständen wie in den vergangenen Wochen. Viel Hoffnung auf Veränderung besteht indes nicht. Das Land ist weiter mit Sanktionen belegt und Raisi scheint beim Atomprogramm nicht zu Zugeständnissen bereit. Auch das »islamische« System mit seiner omnipräsenten Korruption stellt er erwartungsgemäß nicht in Frage.
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