Testen und tanzen

Nach 18 Monaten Pandemie wurde am Wochenende erstmals wieder in den Berliner Clubs selbst gefeiert

  • Mischa Pfisterer
  • Lesedauer: 4 Min.

»Alle Sicherheitsmaßnahmen haben gegriffen, die betroffenen Personen sind kontaktiert und in Quarantäne geschickt worden«, sagt Lutz Leichsenring von der Berliner Clubcommission am Sonntag zu »nd«. Die »betroffenen Personen«, das sind sieben Partygänger*innen, die Teil des Pilotprojekts »Reboot Clubculture« sein wollten, aufgrund ihrer positiven Corona-PCR-Tests aber draußen bleiben mussten.

Nach 18 Monaten Lockdown soll das Pilotprojekt der gebeutelten Clubszene neue Perspektiven aufzeigen. Denn mittlerweile darf in Gärten und Außenbereichen zwar unter Einhaltung von Hygienevorschriften wieder getanzt werden. Drinnen ist das bisher aber nicht erlaubt. Außer nun eben im Rahmen des Modellversuchs. Nicht verwunderlich also, dass die Partys am Freitag- und Samstagabend in sechs Clubs allesamt gut besucht waren. Richtig voll wurde es allerdings erst später, auch weil Besucher*innen zum Teil noch auf die Ergebnisse ihrer Tests warten mussten. »Die nächsten Tage sind sehr entscheidend für die Clubszene«, betont Leichsenring vor Beginn des dreitägigen Testlaufs.

»Ich glaube, dass wir hier alle Sicherungsleinen eingezogen haben, die man einziehen konnte«, sagt auch Kultursenator Klaus Lederer (Linke), der am Freitagabend das »Metropol« in Schöneberg besuchte. Er sei »total happy« über den Projektstart. Neben dem »Metropol« konnten am Wochenende auch das »Kitkat« in Mitte, das »SO36« in Kreuzberg, der »Festsaal Kreuzberg« in Treptow, die »Wilde Renate« und das »Crack Bellmer« in Friedrichshain ihre Räume für Partys öffnen. Rund 40 Künstler*innen waren mit an Bord. Die 25 Euro teuren Tickets waren innerhalb weniger Minuten vergriffen.

Der PCR-Test selbst musste von den Besucher*innen bereits einige Stunden vor dem Einlass gemacht werden. Dafür wurden extra drei Testzentren eingerichtet, in denen die Abstriche genommen wurden. Dabei sollte nicht unterschieden werden, ob Menschen schon geimpft sind oder nicht. So oder so: Die Schlangen, die sich am frühen Freitagabend vor den Testzentren am »Kitkat« und am »Festsaal« bildeten, waren lang. Die Stimmung unter den Partygängern war dennoch ausgelassen. »Wir können es noch gar nicht glauben, wir sind sehr aufgeregt«, sagte eine Wartende zu »nd«. »Endlich mal wieder tanzen und Clubfeeling«, ergänzte ihre Freundin. »Insgesamt wurden am Freitag rund 2200 PCR-Tests durchgeführt«, erklärt Leichsenring. Neben den 2000 Gästen seien auch die Künstler*innen und das Personal getestet worden.

Weiterer Bestandteil des Projekts ist ein zweiter Test eine Woche nach dem Clubbesuch. Um dabei möglichst viele Beteiligte zu erreichen, wurden Tickets vor allem über die Verteiler der Clubs angeboten. Zusätzlich gibt es nach dem zweiten Test zehn Euro vom Ticketpreis zurück.

Florian Kainzinger von der Firma Think Health Hygiene Solutions hofft auf eine Beteiligung von 70 bis 80 Prozent, »um weitere Rückschlüsse ziehen zu können«. Voraussetzung für aufschlussreiche Ergebnisse seien aber die teureren PCR-Tests.

»Nachdem man die sehr aufwendige Registrierung und Testung überstanden hatte, war es für die Teilnehmenden tatsächlich eine Clubnacht wie vor der Pandemie. Dieses Gefühl von körperlicher Nähe, vibrierendem Bass und Unbefangenheit haben wir alle seit eineinhalb Jahre stark vermisst«, bilanzierte Leichsenring am Sonntag. »Wir haben an diesem Wochenende viele Menschen sehr glücklich gemacht und womöglich auch eine Perspektive für den Herbst geschaffen.«

Auch die Vorsitzende der Clubcommission, Pamela Schobeß, sieht in dem Modellversuch »eine Möglichkeit für den Herbst«. Zugleich betonte sie aber auch: »Wir hoffen, dass das nicht die Zukunft ist.« Ein wichtiger Baustein zur Rückkehr in die Clubinnenräume sei nicht zuletzt eine hohe Impfquote unter Clubgänger*innen. »Deshalb auch nochmals der Appell an alle, die noch keine Zeit hatten, sich haben impfen zu lassen: Bitte tut das!«, so Schobeß.

Eine Möglichkeit dafür bieten die Berliner Impfnächte in der »Arena« in Treptow in den kommenden Tagen. Unter dem Motto »Impfen mit Musik« werden Tama Sumo aus dem Berghain, Dragqueen Gloria Viagra oder Sebastian Schwarz vom DJ-Duo Tiefschwarz Live-DJ-Sets absolvieren. Parallel dazu kann sich jeder und jede impfen lassen, der oder die möchte. Das Impfangebot mit dem Impfstoff Biontech richtet sich an alle ab 16 Jahren. Die Interessierten können auch ohne Anmeldung und sogar ohne Ausweisdokumente vorbeikommen. Wer unter 18 ist, muss einen von den Erziehungsberechtigten unterschriebenen Einwilligungsbogen vorlegen. Die erste Impfnacht mit Musik wird an diesem Montag, zwei weitere werden am Mittwoch und Freitag zwischen 20 und 0 Uhr stattfinden.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.