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Peinlicher Einstand
Wolfsburgs neuer Trainer Mark van Bommel begeht einen folgenschweren Fehler
Mark van Bommel weiß aus eigener Erfahrung, was die Autorität eines Trainers ausmacht: »Spieler spüren, wenn nichts hinter dem steckt, was man erzählt.« Glaubwürdigkeit ist also oberstes Gut. Insofern hätte das Pflichtspieldebüt des langjährigen Bundesligaspielers auf der Trainerbank des VfL Wolfsburg kaum schlechter ausfallen können: Ein peinlicher Wechselfehler wird den Niedersachsen vermutlich der mit 3:1 nach Verlängerung bei Regionalligist Preußen Münster erkämpfte Einzug in Runde zwei des DFB-Pokals kosten. Der Imageverlust wäre groß, wenn das DFB-Sportgericht einem möglichen Protest der Münsteraner Recht gibt. Die Regeln sind eindeutig in den Durchführungsbestimmungen formuliert: »Während des Spiels dürfen fünf Spieler ausgetauscht werden. Eine darüber hinaus gehende zusätzliche Auswechslung bei Spielen mit Verlängerung ist nicht zulässig.«
Van Bommel und sein großer Helferstab glaubten aber wohl, dass analog zur Europameisterschaft die Verlängerung eine sechste Wechseloption eröffnet - und so kam der Schweizer Admir Mehmedi in der 103. Minute für Maximilian Philipp als sechster Einwechselspieler. Schiedsrichter Christian Dingert vermerkte den Verstoß im Spielbericht. Sofern nicht dem vierten Offiziellen Tobias Fritsch - den van Bommel offenbar vor seinem Fauxpas noch befragt hatte - die Schuld in die Schuhe geschoben wird, scheint die Rechtslage damit eindeutig.
Geschäftsführer Jörg Schmadtke sprach am Montag von einem Wechselfehler, der »ausgesprochen ärgerlich, aber leider nicht mehr rückgängig zu machen« sei. Der VfL werde das Thema intern analysieren und dafür Sorge tragen, »dass so etwas künftig nicht mehr passiert«. Personelle Konsequenzen werde es nicht geben. »Bei allem Ärger und Frust sollte man den Ball etwas flacher halten. Auch wenn wir kurzzeitig darüber nachgedacht hatten, alle Beteiligten zu einem Volkshochschul-Grundkurs ›Richtig Lesen‹ anzumelden, nach reiflicher Überlegung davon aber abgesehen haben.«
Die Leseschwäche wird der Mutterkonzern VW kaum so komisch finden. Die aufwendigen Inszenierungen als Sponsor und Mobilitätspartner des DFB sind Teil einer ausgeklügelten, teuren Imagekampagne, um dem Konzern das Bemühen um Nachhaltigkeit abzunehmen. Da kommt ein amateurhafter Wechselfehler des Champions-League-Teilnehmers im Münsterland nicht gut an. Dabei hat es eine solche Peinlichkeit 2004 übersah Wolfsburgs damaliger Trainer Eric Gerets, dass der von ihm gegen die Amateure des 1. FC Köln aufgebotene Marian Hristov nach einer Roten Karte für seinen Ex-Klub 1. FC Kaiserslautern nicht spielberechtigt war. Der langjährige Manager Peter Pander trat nach Gesprächen mit den Autobossen zurück. Mark van Bommel darf erst mal weiter machen, doch er hat einen peinlichen Einstand hingelegt. Dabei hatte er sich auch deshalb für Wolfsburg entschieden, weil er dort »in Ruhe« arbeiten wollte. Damit ist es nun schon vor dem Ligastart am Freitag vorbei.
Immerhin befindet sich der Niederländer in prominenter Gesellschaft. Klaus Augenthaler avancierte vor einem Vierteljahrhundert in seiner Trainerlehrzeit beim FC Bayern zum Gespött, weil der Assistent gegen Düsseldorf nach drei Feldspielern noch Ersatzkeeper Andreas Probst einwechselte. Danach grummelte er: »Amateure, Ausländer, neue Regeln - da brauchst’ fast a’ Sekretärin!« Die hätte auch Meistertrainern wie Udo Lattek, Otto Rehhagel oder Hennes Weisweiler helfen können. Bayerns Lattek leistete sich 1971 eine unerlaubte dritte Einwechselung, Bremens Rehhagel (1976) und Kölns Weisweiler (1977) schickten einen Ausländer zu viel aufs Feld. Den folgenschwersten Fehler beging Christoph Daum, als der Stuttgarter Meistermacher 1992 im Europapokal gegen Leeds United einen vierten Ausländer einwechselte. Im Wiederholungsspiel flog Stuttgart raus, und 14 Monate später auch Daum beim VfB.
Limitierte Kaderplätze für Nicht-Deutsche fielen auch Winnie Schäfer in Karlsruhe auf die Füße, obwohl 1995 der Stadionsprecher noch rief: »Winnie, zähl deine Ausländer!« Vergeblich. Nachdem sich dann Bayerns Giovanni Trapattoni bei seinen Amateuren verrechnete, war im September 1998 noch mal Rehhagel an der Reihe, als er in großer Hektik vier Nicht-Europäer für Kaiserslautern auf den Rasen geschickt hatte. Rehhagels Ruf litt nicht wirklich: »König Otto« hatte sich mit der Meisterschaft im selben Sommer gerade ein Denkmal in der Pfalz gebaut.
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