Umweltaktivisten debattieren über radikale Aktionsformen

Teile der Klimagerechtigkeitsbewegung schlagen Mittel der »friedlichen Sabotage« und offensive Formen des zivilen Ungehorsams vor

  • Sebastian Bähr
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Klimakrise ist mittlerweile auch im globalen Norden nicht mehr zu ignorieren. Während extreme Wetterereignisse wie Fluten und Brände rasant zunehmen, überlegt die Klimagerechtigkeitsbewegung, wie sie noch etwas an der scheinbar festgefahrenen und verhängnisvollen Politik der Staatsführungen ändern kann. Im Zuge dieser Debatten wird auch eine mögliche Erweiterung von Aktionsformen diskutiert. Radikalere Methoden wie Sabotage scheinen zumindest Teilen der Bewegung denkbar.

Angefacht wurde die Diskussion, als jüngst auf Twitter ein anonymer Account mit dem Namen »fridaysforsabotage« bekanntgab, eine Sabotage an einer Gas-Pipeline vorgenommen zu haben – jedoch ohne dass dabei jemand verletzt worden sei. »Wir haben versucht, einen wenigstens kleinen Schaden anzurichten und so den Betriebsablauf zu stören«, schrieben die oder der Ersteller. Die Angaben konnten nicht unabhängig überprüft werden.

Die mutmaßlichen Aktivisten verorten sich nach eigener Aussage in der »Tradition des zivilen Ungehorsams« und zeigen sich solidarisch mit den Aktionen von Ende Gelände. Auch den Anti-Castor-Protesten fühle man sich verbunden. Diese hätten gezeigt, dass Sabotage »wirksam« sein und auch von großen Teilen der Gesellschaft getragen werden könne. »Wir sehen die Notwendigkeit, unsere Aktionsformen zu erweitern und auch andere Mittel zu ergreifen«, führen die Ersteller der Tweets aus. Zwar hätten sich Millionen Menschen an den Protesten von Fridays for Future beteiligt, doch sei generell »die Ernsthaftigkeit der klimatischen Situation nicht erkannt« worden.

Auch Tadzio Müller, langjähriger Klimagerechtigkeitsaktivist und Mitbegründer von Ende Gelände, hält eine Erweiterung der Protestmethoden in Deutschland für sinnvoll. »Jetzt ist der Raum da für eine Bewegungserzählung, die sagt, ›Wir nehmen die Radikalisierung der Klimakrise ernst und radikalisieren auch unsere Aktionsformen‹«, erklärte der Aktivist gegenüber »nd«. An verschiedenen Orten werde laut Müller bereits über »friedliche Sabotage«, also Sabotage dort, wo keine Menschen zu schaden kommen, und »zivilen Ungehorsam+«, also offensivere Formen des zivilen Ungehorsams, nachgedacht. »Das bedeutet, dass wir ganz konkret weiter als bei den symbolischen Blockaden gehen und anfangen, Dinge auseinanderzunehmen oder zurückzubauen.« Es gehe letztlich darum, den »Raum des legitimen Regelbruchs zu verschieben«, so Müller weiter.

Der Grund, dass sich dieser Raum für radikalere Formen gerade öffnet, liegt laut dem Aktivisten in der starren Klimapolitik, sei aber auch auf die verschiedenen Teile der Klimabewegung zurückzuführen. »Fridays for Future kann den Raum nicht füllen, da sie dasselbe sagen wie immer: Die Regierung soll halt mal machen. Die Grünen dürfen indes aufgrund einer möglichen zukünftigen Koalition mit der CDU nicht so radikal klingen, wie sie angesichts der Krise eigentlich müssten«, erläuterte Müller.

Extinction Rebellion wiederum habe in Deutschland nicht die großen Mobilisierungserfolge wie in Großbritannien erreichen können und auch Ende Gelände, obwohl immer noch am stärksten im Bereich des zivilen Ungehorsams, sei mittlerweile »normalisiert«. »Man kann bestimmte Formen von zivilem Ungehorsam nur eine bestimmte Zeit lang erfolgreich machen, dann werden sie Teil des politischen Zirkus«, sagte der Aktivist.

Inwiefern sich friedliche Sabotageformen als Aktionsmittel durchsetzen, ist bisher noch unklar. Offensive Protestformen wurden dabei bereits für verschiedene Termine vor der Bundestagwahl angekündigt: »Fridays for Future«-Aktivisten haben etwa erklärt, beim Klimastreik am Freitag in Frankfurt am Main auch mittels zivilen Ungehorsams Kritik an der Rolle der Banken in der Klimakrise zu üben. Bei einer Aktionswoche verschiedener Klimagerechtigkeitsgruppen soll es wiederum ab kommendem Montag in Berlin zu Straßenblockaden kommen. Auch das Aktionsbündnis Sand im Getriebe kündigt für den 8. bis 12. September eine Massenaktion zivilen Ungehorsams gegen die Internationale Automobilausstellung in München an.

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