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Bolsonaro spielt Bananenrepublik
Brasiliens Präsident lässt Panzer durch die Hauptstadt rollen und unterliegt mit demagogischer Wahlreform
Eine solche Show hatte es auf den Straßen der brasilianischen Hauptstadt seit den Tagen der zivil-militärischen Diktatur (1964 bis 1985) nicht mehr gegeben. Während sich die Abgeordneten im Unterhaus auf die Abstimmung einer von Bolsonaro geforderten Verfassungsänderung zum Wahlrecht vorbereiteten, fuhren am Dienstag am Präsidentenpalast in der Nähe des Kongresses Dutzende Panzer und weitere Armeefahrzeuge der Marine wie Jeeps und Lastwagen auf.
Die offensichtlich als Machtdemonstration gedachte kleine Parade hatte Bolsonaro am vergangenen Freitag angeordnet. Zuvor hatte der Präsident in der Öffentlichkeit mehrfach Drohungen ausgesprochen, sollte das Parlament nicht beschließen, dass die elektronischen Wahlurnen zusätzlich mit gedruckten Wahlscheinen versehen werden. Nach dem Vorbild des abgewählten US-Präsidenten Donald Trump behauptet Bolsonaro ohne Belege, dass das Wahlsystem auf Betrug angelegt sei. Damit bereitet er das Szenario für eine Nichtanerkennung des Ergebnisses der 2022 anstehenden Präsidentschaftswahlen vor.
Tatsächlich wird das ausschließlich elektronische Wahlsystem im bevölkerungsreichsten Land Lateinamerikas seit Jahren bei Wahlen eingesetzt - und es wird von Experten als sicher eingeschätzt. Bei Wahlen mit Stimmzetteln war es zuvor immer wieder zu Betrug gekommen.
Die Kampagne der Bolsonaro-Anhänger dient in erster Linie dazu, von den Skandalen im Zusammenhang mit dem unverantwortlichen Umgang der Regierung mit der Covid-Pandemie und den Korruptionsermittlungen gegen das familiäre Umfeld des Staatschefs abzulenken. Technische Fragen des Wahlsystems werden dabei vorgeschoben. Mit der wachsenden Armut, Preissteigerungen und Millionen verloren gegangenen Jobs ist Bolsonaros Popularität abgestürzt. Nun hat der Präsident noch eine Untersuchung des Obersten Gerichtshofes wegen Lügen zur Untergrabung der Wahlen am Hals.
Vorgeblich wurde die Militärparade veranstaltet, um Bolsonaro die Einladung zu einem jährlich stattfindenden Manöver in Formosa unweit von Brasília zu überreichen. Der Präsident nahm das etwa zehnminütige Defilee gemeinsam mit Ministern und hohen Militärs ab, während ein Grüppchen seiner Anhänger dort demonstrierte. Aufmerksam registriert wurde von Beobachtern die Abwesenheit des Vizepräsidenten Hamilton Mourão. Der pensionierte General verfolgt einen anderen Stil als Provokateur Bolsonaro.
Das Spektakel in Brasília wird von vielen Seiten als Einschüchterungsversuch kritisiert. Auch aus den Reihen hoher Militärs gibt es Stimmen, die das Ansehen der Streitkräfte durch ihren Gebrauch für Bolsonaros politische Zwecke beschädigt sehen. Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva von der linken Arbeiterpartei PT bezeichnete die Aktion als »erbärmlich«. Zugleich dementierte der klare Favorit für die kommenden Wahlen Absichten, sich dem Militär anzunähern. Seine politischen Botschaften richte er an das Volk, »und das Militär sei Teil des brasilianischen Volkes«. Er habe kein Problem mit Exmilitärs in der Politik. Doch: »Was nicht geht, ist das Benutzen der Institution, um damit Politik zu machen.« Bolsonaros Wahl 2018 war von hohen Kreisen im Militär gefördert worden, etliche wurden unter ihm in die Regierung und an Schaltstellen von Behörden befördert.
Bei der Abstimmung in der Abgeordnetenkammer am Dienstagabend - der Vorschlag war trotz Ablehnung der zuständigen Kommission ins Plenum gelangt - erhielt er 229 Stimmen, 218 Abgeordnete erklärten sich gegen ihn. Um das vorgeschriebene Quorum zu erreichen, hätte der Antrag mindestens 79 weitere Ja-Stimmen erhalten müssen. Die Niederlage für Bolsonaro ist relativ und fiel weniger klar aus als erwartet: Neben den Vertretern seines Lagers stimmten auch Abgeordnete konservativ-bürgerlicher Parteien für die Vorlage. Geschlossen dagegen votierten die PT und ihre linken Verbündeten.
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