Der schlimmste Wahlkampf aller Zeiten

Andreas Koristka wünscht sich, dass sich alle lieb haben und sich die Parteien auf ein gemeinsames Plakat einigen

Der Wahlkampf des Jahres 2021 ist so dreckig wie ein Rastplatz-WC an der A2. Statt mit Ruhm bekleckern sich die Parteien mit Politfäkalien. Ganz besonders negativ hervorgetan hat sich vor Kurzem die SPD, als sie in einem Video die CDU kritisierte! Ganz so, als wäre Angela Merkel schon tot und nicht mehr die Herrin über die Sozialdemokratie. Das ist unverschämt, auch wenn sich die Partei natürlich sofort entschuldigte und das Video zurückzog.

Was ist nur aus unserer guten alten Bundesrepublik geworden, in der sich alle lieb hatten? Jetzt hängen allerorten geschmacklose Losungen, in die man irgendwelche politischen Ansichten hineininterpretieren könnte. In Berlin war es wieder mal die SPD, die negativ hervorstach. Auf ihren Plakaten warnt sie die Autofahrer vor Schulanfängern. Das ist einfach widerlich. Dabei haben doch alle Parteien die Schulanfänger lieb. Auf einem fairen Plakat hätte die SPD also auch sämtliche Mitbewerber erwähnen müssen. »Liebe Autofahrer, im Namen des gesamten Parteienspektrums bitten wir Sie, anlässlich der Feierlichkeiten des Schulanfangs keine ABC-Schützen zu überfahren!«

Zugegeben, das ist ein bisschen sperrig formuliert, aber es wäre fair gewesen. So jedoch erweckt die SPD den Eindruck, dass es wahre Kinderfreunde nur in der Sozialdemokratie gibt und dass alle anderen Parteien Spielzeuge, Süßigkeiten und Paw Patrol verbieten wollen. Das ist unredlich, denn in Wahrheit wollen das doch nur die Grünen.

Der Wahlkampf dauert noch eine Weile und besorgt kann man sich fragen, wie sich die Schmutzspirale weiterdreht. Was kommt als nächstes? Offener Streit etwa? Das wäre ein Skandal in einem Land, in dem es eigentlich keine Probleme gibt. Das heißt, ein Problem gibt es doch: Nach dem Abschiebestopp nach Afghanistan wird man eine neue Art finden müssen, Horst Seehofer zum Geburtstag zu gratulieren.

Apropos Afghanistan: Wenn Union, Grüne, FDP und SPD glaubhaft herüberkommen wollen, sollten sie, anstatt einander zu bekämpfen, vielmehr ihre gemeinsamen Erfolge thematisieren. Vor 20 Jahren zog die Bundeswehr in Afghanistan ein. Ein paar geschändete Totenköpfe und einen explodierten Tanklastwagen später ist das Land endlich wieder so sicher wie vor ihrem Einmarsch. Das ist doch ein schöner Erfolg, den sich alle Kritiker des Militäreinsatzes hinter die Ohren schreiben sollten!

Deutschland, das sind wir alle. Auch die Parteien. Wir dürfen keine unterschiedlichen Ansichten haben! So geht das nicht, wenn es am Ende für eine Jamaika- oder gar eine Deutschland-Koalition reichen soll. In diesem Sinne wäre es schön, wenn sich alle Parteien zusammenraufen und auf ein einziges Wahlplakat einigen könnten. Möglich wäre »Einen wunderschönen guten Morgen wünschen Ihnen Ihre Parteien!« Vielleicht auch ein paar einfache Rezeptideen oder ein schönes Bild eines Expressionisten.

Hoffen wir also alle gemeinsam, dass die Wahlkämpferinnen und Wahlkämpfer ein Einsehen haben und sich im Ton mäßigen. Streit ist nie gut. Wenn sich Eltern streiten, dann fühlen sich die Kinder schuldig. Wenn sich die Politik streitet, dann haben wir Wählerinnen und Wähler das Gefühl, irgendetwas nicht richtig gemacht zu haben. Waren wir etwa nicht artig? Haben wir zu oft rumgemault über unsere zu hohe Miete, die schlechte Bezahlung in so vielen Jobs, die maroden Gesundheitssysteme, die kaputten Schulen, die abgehängten ländlichen Regionen, in denen es kein mobiles Internet, keinen Bus und keine Frauen gibt, über unseren nahen Tod in der Klimakatastrophe? Wir wollen das nicht mehr tun, versprochen! Aber bitte hört endlich auf zu streiten!

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