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Sommerpolka im blitzeblanken Warschau
Das Spiel von Legia gegen Dinamo Zagreb - und viel drumherum
Jeder Atemzug ein Sieg! Das forderten die Fans von Legia Warschau vergangene Woche beim Qualifikationsrückspiel zur Champions League. Das heimische Stadion war mit 28 500 Zuschauern gegen Dinamo Zagreb ausverkauft. Legia hat international lange nichts mehr gerissen. Zagreb hingegen ist Dauergast in Europa, obgleich die Trauben international auch für Dinamo hoch hängen. Die jeweilige heimische Liga wird von beiden Vereinen dominiert, im Konzert der Großen reicht es nur für die fünfte Fidel.
In Sachen Krawall und Remmidemmi sind die aktiven Zagreber Fans – bekannt als die Bad Blue Boys – eine europäische Größe. Ultras Legia sind ebenfalls für krasse Choreos und Gerangel abseits des Stadions berühmt und berüchtigt. Beide Gruppen betonen zudem eine nationalistische Note, was dem weltgewandten Europäer durchaus die Nackenhaare sträubt.
Um es vorwegzunehmen, es war weniger neandertalesk als erwartet. Vielleicht hatten sich die Gemüter beider Lager bei diversen Scharmützeln rund ums Hinspiel in Zagreb schon beruhigt? Womöglich hatten die überall präsenten polnischen Polypen die bösen Buben in Ketten geschmiedet?
Warschau ist sauber und geleckt. Obdachlose oder Trinker, die früher Polens Hauptstadt bevölkerten, sind komplett aus dem beängstigend reinen Straßenbild verschwunden. Alle hundert Meter sieht man vierschrötige, doch überaus freundliche Polizist*innen Streife gehen, die rechtskonservative PiS regiert das Land mit harter Hand. Dennoch gelang es Warschaus wütender Jugend, viele kroatischen Autos über Nacht zu entglasen und einige kroatische Touristen beim Sonne tanken an der Weichsel zu tollschocken.
Ich hingegen hatte bei der Rückfahrt ein wenig mit der Gewerkschaft der Lokführer zu tun, die natürlich meine volle Unterstützung für ihren Streik bekommt. Mein Zug tuckerte durch Polen und kam vier Stunden später in Berlin als Bus an. Ich hatte mannigfach Gelegenheit, aus dem Gebüsch spähendes Wildgetier beim Halt auf freier Strecke zu beobachten.
Die Choreo der Ultras Legia zu Spielbeginn war den Freiheitskämpfern des Aufstandsbeginns gegen die deutschen Faschisten am 1. August 1944 gewidmet. 5000 Namen wurden auf Schals präsentiert – ergreifend, krass, groß! Pyro zu Spielbeginn und ein Stadion in Weiß ließen meine innere Friedenstaube tirilieren. Kroaten sah man nicht im Stadion, als die Warschauer Fangruppe das Symbol der polnischen Heimatarmee hisste. Wahrscheinlich war das nicht falsch, auch mir juckte der deutsche Pelz mächtig und die Blicke der polnischen Fans waren nicht brav.
Dinamo gewann ein ereignisarmes Spiel 1:0, das von der mächtigen Stimmung der Polen lebte, derentwegen ich diese Ochsentour naturgemäß auf mich genommen hatte. Einmal Legia krakeelen sehn! Nach dem 1:1 Hinspiel darf Zagreb weiter von der Champions League träumen.
In den sozialen Medien durften die Freund*innen der dritten Halbzeit in der Aftershow diverse Wackelvideos bewundern, die jugendliche Helden beim nächtlichen Haschespiel und dem Stuhlweitwurf zeigten. Die polnischen Olympioniken verbuchten den Sieg für sich. Genauso brüsteten sich ihre kroatischen Glaubensbrüder (Franziskus ist ihr gemeinsame Hirt) eine Woche vorher. Die jeweiligen Gegner wurden der Feigheit, Arglist und Kurzpimmeligkeit bezichtigt. Die menschlichen Genitalien sind bei Katholiken als Mittel der Beschimpfung besonders beliebt, das ist bestimmt eine päpstliche Bulle. Die Bullen sah man in in den Aufnahmen vor Bussen und Automobilen posieren. Schön mit Blaulicht und gezücktem Knüppel. Fußball kann schön sein.
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