Werbung

Kunsthaus kann koexistieren

Abriss des Rechenzentrums für die Potsdamer Garnisonkirche nicht erforderlich

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.

Es könne »in Anbetracht der Klimakrise und zunehmender Ressourcenengpässe sowie der Bereitstellung günstigen Mietraums nicht verantwortet werden, funktionstüchtige Gebäude wie das Rechenzentrum abzureißen«. Das meint Eike Roswag-Klinge, Professor der Technischen Universität Berlin, zu Plänen, das alte Rechenzentrum ganz oder teilweise zu beseitigen, damit es dem laufenden Wiederaufbau der Potsdamer Garnisonkirche nicht irgendwie im Wege steht. Am Dienstag präsentieren die »Architects for Future«, also die Architekten für die Zukunft, die Stellungnahmen von Sachverständigen zu den Perspektiven des Rechenzentrums.

Durch eine Sanierung könnten kostengünstige Büroflächen erhalten werden, argumentiert Roswag-Klinge. »Ein vergleichbarer Ersatzneubau wäre ohne Erwerb eines Grundstücks mehr als doppelt so teuer und hätte entsprechende Auswirkungen auf die Miete. Im Umkehrschluss würde durch einen Totalabriss bei einer Bruttogeschossfläche von knapp 8800 Quadratmetern ein Restwert des Gebäudes von acht bis zehn Millionen Euro zerstört werden.«

Auch wenn der in den 1970er Jahren errichtete Würfelbau nicht auf dem modernen Stand der Wärmedämmung ist, so gilt zu berücksichtigen, dass es für den Klimaschutz besser sein kann, den Lebenszyklus des Hauses auszunutzen. Denn ein Neubau wäre mit einem Ausstoß von 1000 Tonnen CO2 verbunden, rechnet Roswag-Klinge vor.

Die gegenwärtige Nutzung des Rechenzentrums als Kunst- und Kreativhaus sollte nur eine Zwischenlösung sein, bis die Kopie der 1945 ausgebrannten und 1968 gesprengten originalen Barockkirche fertig ist. Aber schon lange wird gefragt, warum das Rechenzentrum nicht neben der Kirche weiter bestehen soll, wo bezahlbare Ateliers und Büros in der Stadt Mangelware sind. Kirche und Rechenzentrum stehen allerdings extrem dicht beieinander. Dürfte das auf Dauer so bleiben oder ist mehr Abstand zwingend erforderlich? Müsste ein Teil des Rechenzentrums abgebrochen werden, um mehr Zwischenraum zu schaffen?

Professor Roswag-Klinge warnt nicht allein vor den zusätzlichen Kosten, die bei einem Teilabriss für neue Außenwände und Treppenhäuser und für die Anpassung der Gebäudetechnik und der zentralen Ver- und Entsorgungssysteme entstehen. Er mahnt auch: Durch den Teilabriss würde der Bestandsschutz entfallen und das verbleibende kleinere Gebäude müsste dann den heutigen strengen Anforderungen etwa an die Barrierefreiheit und den Brandschutz entsprechen.

Überhaupt der Brandschutz! Lässt dieser den sehr geringen Abstand zwischen Garnisonkirche und Rechenzentrum von weniger als fünf Metern zu? Helmuth Bachmann, seines Zeichens Prüfingenieur für Brandschutz, weist darauf hin, wie das Problem für die Bauphase des Kirchturms gelöst wurde. Die Außenwände des Gotteshauses werden als Brandmauern ausgeführt, die Öffnungen in Richtung Rechenzentrum selbstschließend und feuerbeständig. Die Feuerwehr habe die brandschutztechnische Trennung beider Gebäude in einer Stellungnahme vom 3. April 2019 nicht beanstandet. Diese Feststellung, dass keine Bedenken trotz des geringen Abstands bestehen, erlösche nicht mit Ablauf der Duldung des Rechenzentrums als Nachbar am 31. Dezember 2023. Aus brandschutzrechtlicher Sicht sei, so erklärt Bachmann, »eine dauerhafte Parallelnutzung« des ehemaligen Rechenzentrums und des Kirchturms »nach heutiger Rechtslage möglich«.

Einen Abstand von drei Metern oder mehr (das hängt von der Höhe der Gebäude ab) verlangt eigentlich die Brandenburgische Bauordnung, weiß der auf Baurecht spezialisierte Rechtsanwalt Christoph Conrad von der Kanzlei Leinemann Partner. Die Bauordnung erlaube jedoch Abweichungen von dieser Regel. Die Besonderheit bestehe darin, dass nicht die Kirche als hinzukommendes Bauwerk Abstand halten solle, sondern das bestehende Rechenzentrum durch Teilabriss. »Ein derartiger Fall ist - soweit ersichtlich - in Rechtsprechung und Literatur noch nicht behandelt worden«, erläutert Conrad. Eine Abweichung von der Abstandsregel könne in so einer atypischen Situation zulässig sein. Dafür sieht der Rechtsanwalt Anhaltspunkte in verschiedenen Gerichtsbeschlüssen. Nicht erlaubt wäre die Verletzung des Abstandsgebots, wenn der Grundstückseigentümer lediglich aus wirtschaftlichen Gründen eine Fläche voll ausnutzen wolle. Es gebe aber historische Gründe, warum sich die Kirche in eine Baulücke quetschen müsse. Das lasse sich »gut vertreten«. Daher gibt es nach Auffassung von Conrad keinen zwingenden Grund, Teile des Rechenzentrums abzureißen. Es könne mit der Kirche koexistieren.

Stefan Wollenberg, Linksfraktionschef im Stadtparlament, freute sich, »dass die jetzt vorgestellten Studien und Gutachten neue Spielräume zum Erhalt des Rechenzentrums aufzeigen«. Kommentar Seite 10

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -