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Hommage an Gerd Müller

Die Bayern siegen im Supercup gegen Dortmund, weil sie Tore erzwingen wie einst mit ihrem Stürmeridol

  • Sven Goldmann, Dortmund
  • Lesedauer: 4 Min.

Wahrscheinlich hätte Marco Rose selbst ganz gern mitgespielt. Einmal, es war um kurz nach zehn an diesem verregneten Spätsommerabend, da stürmte er mit schnellen Schritten dem Ball entgegen und legte ihn dem Nächstbesten auf den Fuß. Dass es sich dabei um den Münchner Josip Stanisic handelte, war dem Trainer von Borussia Dortmund weitgehend egal. Weiter, weiter! Rose ruderte mit den Armen durch die Luft und das Publikum nahm seine Geste laut und dankbar auf. 25 000 Zuschauer im Dortmunder Westfalenstadion machten reichlich Lärm, ein bemerkenswerter Kontrast zur emotionsarmen Vorsaison in der Bundesliga.

Im neuen Fußballjahr soll alles aufregender, dramatischer, spannender werden. So wie am Dienstag beim Spiel um den Supercup zwischen Meister Bayern München und Pokalsieger Dortmund. Der kleine und doch sehr wesentliche Schönheitsfehler dabei war, dass am Ende wieder mal die Bayern siegten. Ihr 3:1 (1:0) mag in der Entstehungsgeschichte ein wenig glücklich gewesen sein, aber an seiner Berechtigung zweifelte niemand. »Es war irgendwas zwischen verdient und glücklich«, sprach Marco Rose, der kürzlich aus Mönchengladbach akquirierte Trainer, mit dem die Dortmunder wieder an längst vergangene Hurra-Zeiten unter Jürgen Klopp anknüpfen wollen. Ja, der BVB spielte mit viel Herz, aber auch mit reichlich Fehlern, den folgenschwersten leistete sich Abwehrchef Manuel Akanyi kurz vor Münchens drittem Tor.

Also triumphierte dann doch der andere Neu-Trainer: Für Julian Nagelsmann war es in seiner achten Woche beim FC Bayern der erste, nun ja, Titel. Er widmete ihn seinem Vorgänger: »Es ist die Belohnung für die letzte Saison, weil wir Meister geworden sind - nicht unter mir, sondern Hansi Flick: Der Titel gehört anderen mehr als mir.« Genauso hatte es Pep Guardiola gehalten, als er 2013 zu seinem Einstand mit den Bayern den europäischen Supercup gewann und sich dann dankend vor Jupp Heynckes verneigte.

Wie einst von Guardiola erwarten die Münchener auch von Nagelsmann nicht weniger als den Anbruch einer neuen Epoche. Das 1:1 zum Bundesliga-Auftakt am Freitag in Mönchengladbach war dabei ein nur wenig verheißungsvoller Start in dieses Projekt. Aber erstens verstehen sich ja auch die Gegner ein bisschen aufs Fußballspielen, und zweitens hat noch kein Trainer in ein paar Wochen seine Mannschaft auf das von ihm angestrebte Niveau bringen können. Also freute sich Nagelsmann in Dortmund über ein »sehr gutes Fußballspiel, obwohl wir ja noch nicht so im Rhythmus sind«. Ob die Mannschaft noch verstärkt werde? Da bemühte der Bayerns Sportvorstand Hasan Salihamidzic die immer wieder gern genutzte Floskel vom Sondieren des Marktes, und sein Trainer sprach mit dem ihm eigenen Selbstbewusstsein: »Wenn noch Spieler kommen, freue ich mich. Und wenn nicht, freue ich mich auch, weil ich schon eine sehr gute Mannschaft habe.«

Was da im Entstehen ist, war am Dienstag schon mehr als nur zu erahnen. Mit hohem Pressing brachten die Münchner den BVB immer wieder in Verlegenheit, vor allem auf der rechten Dortmunder Abwehrseite, wo Felix Passlack schnell als Schwachpunkt ausgemacht war. Ganz hinten verwalteten Niklas Süle und Dayot Upamecanu das Abwehrzentrum mit einer Souveränität, von der am Freitag zuvor in Mönchengladbach noch nichts zu erahnen gewesen war. Im Mittelfeld gaben Leon Goretzka und Joshua Kimmich den Takt vor. Und dann haben sie ja auch noch Robert Lewandowski.

Bayerns polnischer Mittelstürmer trug beim Warmlaufen wie alle seine Kollegen ein Trikot mit der Nummer 9, was bei ihm nur deshalb nicht als Hommage an den verstorbenen Gerd Müller auffiel, weil er dieses Leibchen ohnehin Woche für Woche durch die Strafräume Europas schleppt. Dafür hielt er vor dem Anpfiff ein Müller-Trikot aus den Siebzigern in die Kameras, und später machte er genau das, was auch Müller zu seinen besten Zeiten gemacht hatte. Er schoss Tore.

Das erste mit dem Kopf zum wegweisenden 1:0 kurz vor der Pause, das zweite mit dem rechten Fuß zum entscheidenden 3:1, gerade als die Dortmunder nach Marco Reus’ Anschlusstreffer in ihrer besten Phase drauf und dran waren, das Spiel noch zu drehen. Und natürlich hatte Lewandowski zwischendurch auch das Münchner 2:0 vorbereitet, mit einem kaum sichtbaren Fersenkick auf Thomas Müller, der den Ball nur noch ins leere Tor schieben musste. Es war ein typisches Müller-Tor und damit eine schöne Brücke in die Vergangenheit zum verehrten Idol einer anderen Bayern-Epoche.

Auch in Dortmund haben sie einen, der Anspruch auf das Erbe des Gerd Müller erhebt. Erling Haaland hatte am Samstag beim 5:2 gegen Eintracht Frankfurt drei Tore vorbereitet und zwei selbst geschossen. Der Norweger pflegt einen anderen Stil als sein polnischer Kollege. Auch am Dienstag pflügte er mit einer Verbissenheit über den Rasen, die einiges für sein Spätwerk erahnen lässt. Wahrscheinlich wird Haaland noch in 50 Jahren beim Bingo im Seniorenstift den Sieg mit ausgefahren Ellenbogen für sich reklamieren. Gegen die Bayern reichte es diesmal nur zu allerlei Luftlöchern und einem Abseitstor.

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