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Die Ukraine fordert die Krim zurück
Mit einer Gipfelveranstaltung erinnert die Regierung in Kiew an die russische Annexion der Halbinsel
Kiew erlebt derzeit intensive Tage: Im Zentrum der ukrainischen Hauptstadt wird am heutigen Dienstag mit einer riesigen Militärparade der 30. Unabhängigkeitstag gefeiert. Zwei Tage zuvor besuchte Angela Merkel zum letzten Mal als Bundeskanzlerin die Stadt. Am Montag empfing Präsident Wolodymyr Selenskyj Delegationen aus 45 Staaten zur Gründungsveranstaltung der sogenannten Krim-Plattform, eines diplomatischen Formats, das die russische Annexion der Krim weltweit in den Fokus rücken will. Unter den Gästen waren alle EU- und Nato-Länder.
Doch was nach einen Erfolg Kiews auf internationaler Bühne klingt, ist es nicht. Vor allem das Abschiedstreffen mit Merkel, die eigentlich als wichtigste Verbündete der Ukraine unter westlichen Spitzenpolitikern gilt, war eine angespannte Angelegenheit. Bereits der ungewöhnlich bescheidene Empfang der Bundeskanzlerin am Flughafen Boryspil sprach Bände. Für Verstimmungen sorgten die baldige Fertigstellung der Ostseepipeline Nord Stream 2 und die damit verbundene Frage der Zukunft des russischen Gas-Transits durch die Ukraine.
Teller und Rand ist der neue ndPodcast zu internationaler Politik. Andreas Krämer und Rob Wessel servieren jeden Monat aktuelle politische Ereignisse aus der ganzen Welt und tischen dabei auf, was sich abseits der medialen Aufmerksamkeit abspielt. Links, kritisch, antikolonialistisch.
Aktuell bringt der Transit Kiew jährlich rund zwei Milliarden Dollar ein. Doch die Gasdurchleitungen sind für die Ukraine auch eine sicherheitspolitische Angelegenheit: Aus Regierungssicht macht der weitere Transit Militäraktionen Russlands im Nachbarland weniger wahrscheinlich. Zwar betonte Merkel, Nord Stream 2 dürfe von Russland nicht als «politische Waffe» benutzt werden und setzte sich für eine Fortsetzung des Transits auch nach dem Ende des aktuellen Vertrages im Jahr 2024 ein. Wie der Westen Zuwiderhandlungen Moskaus ahnden will, blieb aber unklar. Zudem wies die Bundeskanzlerin Kiew auf eine mögliche Verringerung des Transits hin, sollte der Gasverbrauch der EU aufgrund der angepeilten Klimaneutralität zurückgehen. «Im Bezug auf die Verlängerung des Transitvertrages sprachen wir über sehr allgemeine Sachen», kommentierte Selenskyj unzufrieden. «Ich verstehe bisher nicht, wo die Ukraine nach 2024 stehen wird und wer uns konkrete Garantien gibt.»
Auch am Rande der Krim-Plattform ging es am Montag um Gas. Sowohl Deutschland als auch die USA hatten mit Peter Altmeier und Jennifer Granholm ihre Energieminister entsandt. Bei dem Treffen mit ihrem ukrainischen Amtskollegen ging es unter anderem um die Entwicklung der grünen Energie in der Ukraine, in welche Berlin und Washington rund eine Milliarde US-Dollar investieren wollen. Der ukrainische staatliche Energiekonzern Naftohas und der deutsche Energieriese RWE unterzeichneten bereits am Sonntag ein Memorandum zur langfristigen Zusammenarbeit im Wasserstoffsektor.
Die Einrichtung der Krim-Plattform hatte Selenskyj im vergangenen Jahr vorgeschlagen. Mit dem Format will die Ukraine die russische Annexion der Halbinsel erneut ins Zentrum der Aufmerksamkeit rücken und auf Moskaus militärische Dominanz im Schwarzen und Asowschen Meer aufmerksam machen. Die Teilnehmer des Gipfels unterzeichneten eine Erklärung, in welcher die russische Annexion der Krim nicht anerkannt und die Unzulässigkeit von Menschenrechtsverletzungen auf der Schwarzmeerhalbinsel betont wird. Weitere Länder sind eingeladen, sich der Erklärung anzuschließen. Ein Sonderbüro in Kiew soll die künftige Tätigkeit der Plattform koordinieren.
«Zum ersten Mal wird die Frage der Krim auf derart hohem Niveau diskutiert», erklärte der ukrainische Präsident. «Leider ist es uns noch nicht gelungen, die Halbinsel in die Ukraine zurückzuholen. Wir dürfen keinen einzigen Tag mehr vergeuden. Die Synergie unserer Bemühungen sollte Russland zwingen, sich an den Verhandlungstisch zu setzen. Selenskyj dürfte auch auf eine weitere Verschärfung der westlichen Sanktionen gegen den Kreml setzen. Die Reaktion Moskaus auf das Treffen fiel erwartungsgemäß scharf aus. Die Krim-Frage sei abgeschlossen und könne nicht zum Gegenstand internationaler Verhandlungen werden, erklärte der russische Außenminister Sergej Lawrow.
Für das langfristige Ziel der Rückkehr der Krim unter Kiews Kontrolle wollte die Ukraine mit einem möglichst breiten Teilnehmerfeld bei der Krim-Plattform ein Zeichen setzen. Richtig gelungen ist dies Wolodymyr Selenskyj und seinem Außenministerium aber nicht. So hatte die Ukraine beispielsweise auf die Teilnahme von Angela Merkel gehofft, die jedoch einen Tag vor der Krim-Plattform nach Kiew kam. Zudem sagte Außenminister Heiko Maas seine Teilnahme wegen der Lage in Afghanistan kurzfristig ab.
Frankreich, das wie Deutschland im sogenannten Normandie-Format zur Lösung des Kriegs im Donbass mitmischt, wurde ebenfalls nicht wie angekündigt vom Außenminister, sondern vom Handelsminister vertreten. Auch die Hoffnungen auf die Teilnahme des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan, der eine große Rolle in der Region spielt, wurden enttäuscht. »Die Krim wurde von der internationalen Gemeinschaft nicht vergessen«, so Selenskyj in seiner Abschlussrede. Als großer Erfolg der ukrainischen Diplomatie dürfte der Krim-Gipfel nicht gelten.
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