- Berlin
- Ein-Eltern-Familien
Alleinerziehend zusammenhalten
In Lichtenberg gibt es immer mehr Angebote für Ein-Eltern-Familien – sie werden auch gebraucht
Viele kommen im Alltag an ihre Grenzen. »Mir schwirrt so oft der Kopf abends, mir fehlt dann einfach die Kraft, noch etwas zu organisieren oder mich zu kümmern«, erzählt eine alleinerziehende Mutter aus Kreuzberg. Und das geht bei zwei noch jungen, schulpflichtigen Kindern seit Jahren so. Vieles bleibt liegen, die Erschöpfung zieht sich hin.
In keiner Region in Deutschland leben so viele alleinerziehende Frauen und Männer wie in Berlin – ein Drittel der Familien in der Hauptstadt sind Ein-Eltern-Familien. In Lichtenberg sind es laut Mikrozensus sogar 35,7 Prozent. Von über 10 000 Betroffenen geht Sarah Wendler vom Familienbüro des Bezirks aus, 9000 davon seien Frauen.
Für Menschen in Ein-Eltern-Familien sind viele Dinge eine Herausforderung. Gerade die Vereinbarkeit von Familie und Beruf hat hier noch einmal eine ganz andere und größere Bedeutung. Viele brauchen Beratung oder konkrete Hilfeleistungen bei Fragen der Existenzsicherung, der Kinderbetreuung, von Unterhalt über Gesundheit bis hin zur Schuldentilgung. Denn: Viele Familien Alleinerziehender sind auch in Lichtenberg arm oder armutsgefährdet. Bei den armutsgefährdeten oder armen 14- bis 18-Jährigen liegt der Anteil sogar bei über 50 Prozent.
»Die meiste Zeit ist Alltagsbewältigung«, erklärt Norma Schubert, die das Netzwerk Alleinerziehende in Lichtenberg koordiniert. Um Alleinerziehende mit Unterstützungsangeboten zu erreichen, müsste man sich seitens ihrer Stelle auf sehr unterschiedliche Bedarfe einstellen. Obendrauf kommen die Erfahrungen der Pandemie: Waren Homeoffice, Homeschooling und Kinderbetreuung ohnehin schon als Mehrfachbelastung zu bewältigen, sind mit Lockdowns und Kontaktbeschränkungen auch noch Angebote und Ressourcen weggebrochen, die sonst Erleichterung verschafft haben. »Wenn plötzlich nicht mehr die Oma oder der Opa einspringt, ist das eine Lücke«, sagt Schubert.
Lesen sie auch: Corona ist ein Ungleichheitsvirus. Die Pandemie trifft weltweit besonders Frauen und LSBTIQ
Vor diesem Hintergrund veranstaltet das Netzwerk Alleinerziehende am Freitag den dritten Aktionstag unter dem Motto »Alleinerziehend sind wir weniger allein«. Für Norma Schubert ein Versuch, die Leistung, die Alleinerziehende tagtäglich vollbringen, einmal öffentlich anzuerkennen. »Die Idee ist, dass es einen Tag gibt, an dem wir den vielen Müttern und auch Vätern einfach mal etwas zurückgeben, ihnen sagen: ›Ihr leistet so viel und kümmert euch jeden Tag, das ganze Jahr, jetzt kümmern wir uns mal einen Nachmittag um euch‹«, erklärt die Koordinatorin. Statt eines gemeinsamen Fests wird es auch in diesem Jahr von 15 bis 18 Uhr dezentrale Veranstaltungen an fünf Standorten geben: unter anderem im Nachbarschaftshaus im Ostseeviertel, in der Begegnungsstätte Roberto in der Paul-Junius-Straße 64a und im Familienzentrum Alte Schmiede in der Spittastraße. »Wir wollen den Rahmen bieten, dass sich Menschen begegnen, austauschen und kennenlernen«, sagt Schubert.
Lesen sie auch: Einfach mal kurz ausruhen können. Lichtenberg versucht über 10 000 Alleinerziehende vielfältig zu unterstützen
Überall wird die flexible Kinderbetreuung vor Ort sein, für die der Bezirk über Lichtenberg hinaus viel Lob erfährt. Diese können Alleinerziehende regelmäßig abseits von anderen Betreuungsangeboten in Anspruch nehmen. So auch an diesem Nachmittag – und sich in der Zeit beraten lassen oder die Angebote von Friseurin, Yoga-Lehrerin oder Kosmetikerin vor Ort besuchen.
Weil Alleinerziehende auf gut erreichbare Unterstützungsstrukturen angewiesen sind, hat sich der Berliner Senat die Einrichtung von bezirklichen Koordinierungsstellen zur Aufgabe gemacht. Deren Einrichtung ist nun abgeschlossen, teilte die Gesundheitsverwaltung Anfang der Woche mit.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.