Es wird zu heiß für Frankreichs Wein

Der Klimawandel hat schwerwiegende Folgen für die traditionelle Exportbranche

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Erderwärmung hat Folgen für Frankreichs Weine. »Klimaveränderungen, die Winzer zwingen, sich auf die neuen Bedingungen für den Anbau der Reben und die Verarbeitung der Trauben zu Wein einzustellen, hat es in den zurückliegenden Jahrhunderten immer wieder einmal gegeben«, stellt Jean-Robert Pitte, der Präsident der französischen Weinakademie, fest, »aber nie waren sie so einschneidend wie heute, und in der nahen Zukunft dürfte es noch dramatischer werden.«

Pitte erinnert daran, dass große Teile Englands im Mittelalter von Weinbergen bedeckt waren, doch dann kam eine kleine Eiszeit und sämtliche Reben mussten herausgerissen werden. Doch seit einigen Jahren ist der Weinanbau zurück in England und heute lassen dort sogar große französische Champagner-Marken einen Teil des Rohstoffs für ihre Luxusweine produzieren, weil die Bedingungen denen entsprechen, die früher in der Gegend zwischen Reims, Eperney und Troyes herrschten.

Das deutlichste Zeichen für die klimabedingten Veränderungen für Frankreichs Weinanbau ist die Verschiebung der Zeit der Lese, denn durch mehr Tage mit Sonnenschein und durch die höheren Durchschnittstemperaturen sind die Trauben immer zeitiger reif und müssen geerntet werden. Im Schnitt beginnt heute die Lese 15 Tage früher als vor 40 Jahren, also beispielsweise in der Weinbauregion Elsass Ende August statt früher Mitte September und im südfranzösischen Languedoc-Roussillon oder in der Gegend um Bordeaux und Saint-Emillon bereits in der ersten Augusthälfte statt gegen Ende des Monats.

Dem jüngsten Bericht des UN-Weltklimarates IPCC zufolge wird sich die Durchschnittstemperatur bis 2030 um mindestens 1,5, wahrscheinlich aber um 2 Grad erhöhen. »Ob wir durch die Klimaveränderungen künftig auch mehr Frosttage im Frühjahr oder schwere Niederschläge im Sommer bekommen, was gravierende Folgen für den Reifeprozess der Weintrauben hätte, ist noch nicht abzusehen«, meint Philippe Mauguin, Präsident des Nationalen Agrarforschungsinstituts INRA. Doch sicher sei bereits, dass es mehr extrem heiße Tage geben wird. Im Elsass, wo man im zwischen 1980 und 2010 im Schnitt einen extrem heißen Tag pro Saison verzeichnet hatte, werden es zwischen 2060 und 2090 15 sein, im Weinbaugebiet Bordeaux 16 statt 3 und im Rhône-Tal bei Avignon sogar 28 statt 5, warnt Mauguin.

Die für den Weinbau optimalen Klimabedingungen verschieben sich stark in Richtung Norden. Die Weinbauregion Languedoc-Roussillon bekommt ein Klima, wie es heute im Norden von Marokko und Algerien herrscht, und in Bordeaux sind Bedingungen zu erwarten wie heute in der traditionellen spanischen Weinbauregion Rioja. Damit wird man künftig auch in der Bretagne und sogar in Nordfrankreich Wein anbauen können. Dort gibt es schon erfolgreiche Versuche an den Hängen von Abraumhalden der stillgelegten Kohleminen.

Auch die Pariser Region könnte wieder ins Spiel kommen. Sie war bis zum 18. Jahrhundert eine wichtige Weinbaugegend und hat auch den königlichen Hof in Versailles beliefert, weil seinerzeit Wein noch nicht ohne starke Qualitätsverluste über weite Strecken transportiert werden konnte und man daher Bordeaux- und Burgund-Wein nur vor Ort genossen hat. Doch all diese Verschiebungen werden Folgen haben - für die Rebsorten, die hitzebeständiger sein müssen, und damit vor allem für den Geschmack des Weins.

Schon heute haben die französischen Winzer mit dem Problem zu kämpfen, dass der Wein wegen der stärkeren Sonneneinstrahlung mehr Zucker enthält als früher und sich dieser in mehr Alkohol verwandelt, während andererseits der für die Stabilität des Geschmacks wichtige Säuregehalt sinkt. In den zurückliegenden 30 Jahren ist der durchschnittliche Alkoholgehalt schon um 1,5 Prozentpunkte geklettert.

INRA-Präsident Mauguin verweist darauf, dass die traditionellen Weinreben durch die Klimaveränderungen auch anfälliger für Krankheiten und Schädlinge werden. »Wir züchten zwar bereits neue Sorten, die resistenter sind und nachhaltiger, weil sie 80 bis 90 Prozent weniger Schädlingsbekämpfungsmittel oder Kupfer brauchen, aber das hat leider negative Konsequenzen für die Artenvielfalt«, räumt der Agrarwissenschaftler ein. Für Patrice Geoffron, Professor für Wirtschaftswissenschaft an der Universität Paris-Dauphine, stellt sich damit die Frage, »welche Rolle der Weinbau künftig für die Wirtschaft des Landes und für den Außenhandel spielen wird«. Frankreich ist nach Italien der zweitgrößte Weinproduzent der Welt.

Weinberge bedecken heute in Frankreich 750 000 Hektar und 560 000 Menschen sind in der Branche beschäftigt, die mit 10,5 Milliarden Euro Überschuss nach dem Flugzeugbau an zweiter Stelle in der Außenhandelsbilanz liegt. Der Klimawandel könnte hier verheerende Folgen haben. »Die vielen ausländischen Freunde des Weins aus Bordeaux, dem Burgund oder dem Elsass werden feststellen, dass ihre Lieblingssorten mit der Zeit anders schmecken werden als früher«, gibt der Ökonom Geoffron zu bedenken, »und niemand kann sagen, ob das angenehme und akzeptable Veränderungen sein werden und ob die Traditionskunden ihren Lieblingsweinsorten treu bleiben.«

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