Achse nach Adlershof

Die Potsdamer Regierung bastelt an einer Regionalentwicklungsstrategie

  • Andreas Fritsche, Potsdam
  • Lesedauer: 4 Min.

In Lübben – die Stadt sieht sich mit ihrem Kahnfährhafen als ein Tor zum Spreewald – soll ein Arbeitsort für Wissenschaftler entstehen, um die langwierige Pendelei zur Technischen Universität Cottbus oder zu den zahlreichen Forschungseinrichtungen in Berlin-Adlershof zumindest tageweise zu vermeiden.

Dieses Beispiel bringt Brandenburgs Staatskanzleichefin Kathrin Schneider (SPD) am Dienstagnachmittag, nachdem sich das rot-schwarz-grüne Kabinett mit Eckpunkten für eine Regionalentwicklungsstrategie befasst hat. Schon allein das Wort Regionalentwicklungsstrategie schreckt ab, und die Eckpunkte sind voller solcher Wortungetüme, unter denen sich der Laie nicht viel vorstellen kann. Aber mit einem konkreten Projekt wird es etwas einfacher.

Also: »Brandenburg vereint wie kaum eine andere Region in Deutschland und Europa dicht besiedelte, urbane Gebiete und ländliche Räume mit einer – gemessen am Bundesdurchschnitt – eher geringen Einwohnerzahl und -dichte«, heißt es in einer Zusammenfassung der Eckpunkte. Die Unterschiedlichkeit und Vielfalt der Teilräume sei Herausforderung und Chance zugleich.

Brandenburg boomt nicht mehr nur im Berliner Umland, sondern schon darüber hinaus in den sogenannten Städten und Gemeinden der zweiten Reihe und sogar auch schon in denen der dritten Reihe. Voran geht es vor allem entlang der Schnellstraßen und Schienenstränge, die sich von der Metropole aus strahlenförmig weit nach Brandenburg hinein erstrecken.

Nach wie vor abgehängt sind viele Kommunen in den weißen Flecken zwischen diesen elf Verkehrsachsen. Aber auch dort soll es künftig einigermaßen gleichwertige Lebensverhältnisse geben, entlang von Querverbindungen, die nach der Wende oft gekappt worden sind, wenn man an den Schienenverkehr denkt.

Schneider nennt noch ein Beispiel, das dazu passt: In Eisenhüttenstadt gebe es eine Machbarkeitsstudie zur Einrichtung einer Pflegeschule und das Interesse, mit der geplanten Universitätsmedizin in Cottbus zu kooperieren. »Da haben sie die Querverbindung«, sagt Schneider. Eine Zugverbindung besteht.

»Die Strategie baut auf Korridoren auf, die sich im Wesentlichen an den wichtigsten Schienenverbindungen orientieren, aber auch darüber hinaus ausstrahlen sollen«, erläutert die Staatskanzlei.

Welche Projekte das Land Brandenburg nun fördern wird, steht noch in den Sternen. Es gibt nicht einmal die Regionalentwicklungsstrategie, sondern zunächst nur die Eckpunkte dafür, die noch ausgearbeitet werden müssen. Geplant ist dazu eine zentrale Auftaktveranstaltung Anfang Oktober, gefolgt von Gesprächen in den fünf Planungsregionen des Bundeslandes. Besprechen sollen sich die Kommunen einer Region untereinander und mit dem Land. Das Format dafür soll die sogenannte Regionale sein, die über die bisherigen, enger gefassten regionalen Wachstumskerne hinausgreift, von denen es 15 gibt. Vor der Sommerpause kommenden Jahres will Schneider den Entwicklungsstand im Kabinett vorstellen. Dann soll klar sein, welche Schlüsselprojekte das Land finanziell fördern könnte. Die Rede ist dabei auch von der Schaffung von Wohnraum.

»Wir wollen eine Regionalentwicklung, die das ganze Land erreicht«, versichert Schneider. In den zurückliegenden Jahrzehnten ist davon salbungsvoll immer wieder gesprochen worden. Die Realität jedoch sah anders aus. Ob es diesmal besser läuft, ist noch die Frage. Denn Schneider verrät schon einmal: »Die finanzielle Förderung von Projekten erfolgt im Rahmen der verfügbaren Förderprogramme. Es geht jedoch darum, diese zielgenauer einzusetzen.«

Das hat Linksfraktionschef Sebastian Walter vorausgesehen und bereits am Dienstagvormittag erklärt: »Wir unterstützen jeglichen Schritt, gleichwertige Lebensverhältnisse zu schaffen.« Aber die Strategie müsse mehr sein als einfach nur »die bestehende Förderung in einer neuen Verpackung zu präsentieren«, so der Oppositionspolitiker, der gleich eigene Vorschläge unterbreitete. So könnten neben den Grundzentren noch besondere Orte definiert werden, die nicht so viel Infrastruktur für die umliegenden Dörfer bereithalten wie die Grundzentren, aber doch eine besondere Bedeutung für die Gegend haben. Diese besonderen Orte sollten mit einer Förderung von 30 000 Euro im Jahr ausgestattet werden. Außerdem müssten die Städte und Gemeinden in ländlichen Regionen endlich entschuldet werden, meint Walter. »Wenn alles unter Haushaltsvorbehalt gestellt wird, dann hat die regionale Entwicklung keine Chance.« Dann müsste – und das geschieht tatsächlich nicht selten – auf einen Jugendclub verzichtet werden.

Ein extremes Ungleichgewicht bei der Ausweisung von Wohn- und Gewerbegebieten im Land Brandenburg sieht auch Péter Vida von den Freien Wählern. In seiner im Berliner Speckgürtel gelegenen Heimatstadt Bernau wird es immer enger und den Bewohnern schon zu viel. Anderswo werden die Wege beispielsweise zum Arzt immer weiter. 250 000 Brandenburger müssen länger als 15 Minuten mit dem Auto fahren, um eine Arztpraxis zu erreichen – und viele Senioren sind gar nicht mehr in der Lage, ein Auto zu steuern. Wenn kein Bus fährt, sind sie aufgeschmissen.

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