Lehrkräftemangel ohne Ende

Nur 20 Prozent der nach Deutschland migrierten Lehrkräfte erhalten volle berufliche Anerkennung

Der Lehrermangel in Deutschland wird sich in den kommenden Jahren weiter verschärfen. Bereits vor der Coronakrise hatte das Forschungsinstitut Prognos berechnet, dass in den allgemeinbildenden Schulen allein bis 2025 insgesamt 40 000 zusätzliche Lehrkräfte benötigt werden. Auch die Bertelsmann Stiftung prognostizierte 2019 einen enorm ansteigenden Mangel an Lehrkräften. So würden bis 2030 allein in Grundschulen 10 600 zusätzliche Lehrkräfte benötigt.

»Jahr für Jahr könnten bundesweit nach unseren Schätzungen bis zu 1375 migrierte Lehrkräfte eine volle Lehramtsbefähigung erhalten«, erklärte Maike Finnern, Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), anlässlich einer am Montag vorgestellten Studie der GEW. »Trotz des dramatischen Lehrkräftemangels wird Tausenden zugewanderten Lehrerinnen und Lehrern der Weg an die Schulen verbaut«, so Finnern weiter. Das Anerkennungsverfahren für migrierte Lehrkräfte müsste transparenter gestaltet, Zugänge zu erforderlichen Nachqualifizierungen müssten erleichtert werden.
Dies würde neben dem Problem des Lehrkräftemangels außerdem auch zu der interkulturellen Öffnung von Schulen beitragen. Verglichen mit anderen Berufen (24 Prozent), kommen mit rund elf Prozent nur sehr wenige Lehrkräfte an allgemeinbildenden Schulen aus Einwandererfamilien.

Für Lehrkräfte, die ihre Ausbildung nicht in Deutschland absolviert haben, ist laut der Untersuchung besonders die Anerkennung ihrer Abschlüsse ein Problem. Wenn ein Abschluss nicht direkt anerkannt wird, findet ein Ausgleichsverfahren statt. Laut GEW können die Bundesländer selber entscheiden, ob sie einen Berufsabschluss anerkennen. In den meisten Fällen ist es nach der GEW-Untersuchung jedoch so, dass Auflagen gemacht werden und für die Anerkennung ein sechs Monate bis drei Jahre dauernder Anpassungslehrgang absolviert werden muss. Bislang gelingt jährlich nur etwa 500 Lehrkräften mit ausländischen Abschlüssen – entweder unmittelbar oder über eine erfolgreich absolvierte Ausgleichsmaßnahme – die volle Anerkennung für das Lehramt. Das sind lediglich 20 Prozent derjenigen, die einen Antrag auf Anerkennung stellen.

Laut Studienautor Roman George, Referent für Bildungspolitik bei der GEW Hessen, gibt es dabei ein leichtes Nord-Süd-Gefälle. Bayern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und das Saarland weisen den Studienergebnissen zufolge besonders hohe Hürden auf. Ein Problem bei den Anpassungslehrgängen ist laut GEW, dass die Teilnehmenden lediglich in dem schulpraktischen Teil entlohnt werden, den restlichen Teil jedoch selbst finanzieren müssen. Dies halte Menschen davon ab, den Lehrgang zu beginnen. Eine häufige Hürde sei auch, dass Lehrkräfte in Deutschland zwei Fächer studieren und unterrichten müssen. In vielen anderen Ländern unterrichten Lehrkräfte jedoch nur ein Fach, weshalb ein Großteil der ausländischen Lehrkräfte in Deutschland zunächst noch ein weiteres Fach erlernen muss. Betroffene sollten laut Finnern währenddessen bereits teilweise bezahlt werden. Nach der erfolgreichen Anerkennung werden sie dann außerdem als Berufsanfänger eingeordnet und dementsprechend bezahlt, selbst wenn sie schon jahrzehntelang den Lehrerberuf ausgeübt haben.

Die GEW fordert, den Hürden und Diskriminierungen im Anerkennungsprozess entschlossener entgegenzuwirken. Dazu müssten zielgruppengerechte Informations-, Beratungs- und Unterstützungsangebote ausgebaut werden. Außerdem forderte Finnern, Kompetenzen in den Herkunftssprachen und berufliche Erfahrungen der zugewanderten Lehrkräfte stärker wertzuschätzen.

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