Wir sind keine Sadist*innen

Anders als vielfach dargestellt, hat BDSM nichts mit Gewalt zu tun, sondern beruht auf viel Kommunikation und Einvernehmlichkeit

  • Verena Borchert
  • Lesedauer: 5 Min.

Während es in Deutschland zumindest in Großstädten mittlerweile relativ normal ist, offen queer zu leben, sieht das beim Thema BDSM noch ganz anders aus. BDSM steht für »Bondage & Discipline, Dominance & Submission, Sadism & Masochism« und ist ein Sammelbegriff für sexuelle Vorlieben, bei denen es unter anderem um Lust auf Schmerzen, Unterwerfung, Rollen- und/oder Fesselspiele geht. Der Begriff Sadomaso hingegen oder einfach nur SM als allgemeine Bezeichnung für BDSM wird von BDSMler*innen gemeinhin als diskriminierend empfunden und sollte daher vermieden werden.

BDSM ist für viele, die es praktizieren, weit mehr als eine sexuelle Präferenz, sondern ein großer Teil der eigenen Identität. Doch nicht zuletzt durch den großen Druck der Mehrheitsgesellschaft, der kinky Sex - also Sex, der BDSM beinhaltet - stark tabuisiert, sehen BDSMler*innen in den meisten Fällen von einem Outing ab. Zu groß sind die Ängste vor einem möglichen Verlust des Arbeitsplatzes oder der Reaktion von Freund*innen und Familie. Es kann dann unter Umständen schnell ziemlich einsam um einen werden.

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Ein großer Teil dieser Stigmatisierung geht meines Erachtens von Medien aus: Wenn BDSM in Filmen thematisiert wird, dann geschieht das meistens im Kontext von Kriminalität und Gewalt. Zwei Personen im schwarzem Latex-Outfit, bei der eine aggressiv auf die andere einschlägt und die sich immer wieder gegenseitig mit Wörtern wie »Sklave« oder »Herrin« betiteln, ist die Standarddarstellung in Film und Fernsehen. Oft gibt es eine Szene, in der BDSM mit einem Tötungsdelikt in Verbindung gebracht wird.

Auch Dokumentationen haben häufig etwas reißerisches. Tenor: »Wir schauen jetzt mal, was diese 'Perversen' so machen.« Klar, es wäre langweilig, würde man BDSMler*innen als das darstellen, was sie gemeinhin sind – durchschnittliche Menschen, die Lust auf kreativen Sex haben und dabei mit gesellschaftlichen Machtstrukturen spielen.

Um an dieser Stelle mit ein paar Klischees und Vorurteilen aufzuräumen: BDSM hat nichts mit Gewalt zu tun, sondern ist immer einvernehmlich und sollte so ablaufen, dass es für alle Beteiligten sicher ist. Um dies zu verdeutlichen, werden von BDSMler*innen auch die Begriffe »Spiel« oder »Session« verwendet, wenn es um kinky Sex geht. Nicht alle, die auf BDSM stehen, mögen Lack und Leder oder Schmerzen und sprechen sich mit »Herr*in« und »Sklav*in« an. Kinky Sex hat viel mit Kommunikation zu tun. Wir sind keine realen Sadist*innen, die es toll finden, wenn unser Gegenüber ernsthaft leidet. Im Gegenteil: Wir wollen unsere*n Partner*innen Lust und Freude bereiten.

Grenzen und Tabus müssen deshalb immer wieder erfragt werden. Zärtlichkeit und miteinander kuscheln ist meistens ein großer Bestandteil der Sexualität. Es gibt sogar einen eigenen Begriff dafür: »After Care«. Bezeichnet wird damit das Kuscheln nach dem Spiel. Aber auch während einer Session können natürlich immer wieder Zärtlichkeiten ausgetauscht werden. Auch die meisten kinky Menschen mögen Vanilla-Sex. Der Begriff »Vanilla« steht dabei für Menschen die kein BDSM mögen.

BDSM hat also relativ wenig damit zu tun, was in den Köpfen der meisten Menschen herumzuspuken scheint, die mit dem Thema nichts zu tun haben. Das klarzustellen ist deshalb wichtig, um Diskriminierung entgegenzuwirken und ein realistischeres Bild von uns zu zeichnen - damit es in Zukunft keine Menschen mehr geben muss, die sich gezwungen fühlen zu lügen, wenn es darum geht, auf was für eine Party sie am Abend gehen. Die ein oder andere Person könnte erwidern, dass das ja nicht jede*r wissen muss. Ich würde mich freuen, wenn wir uns irgendwann an diesem Punkt befinden, denn das würde bedeuten, das queere oder andere von der Norm abweichende Sexualität vollständig von der Mehrheitsgesellschaft akzeptiert würde.

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Bis dahin ist eine gewisse Offenheit, zumindest von einigen Personen aus der Community, jedoch sehr wichtig. Denn ein offener Umgang erhöht die Sichtbarkeit und damit auch die Wahrscheinlichkeit der Akzeptanz. Dies wiederum stärkt das Selbstbewusstsein weiterer Menschen und hilft ihnen vielleicht in Zukunft dabei, zu sich und zu ihrer Sexualität zu stehen. Denn einen Großteil der eigenen Identität dauerhaft zu verschweigen, kann nach einer gewissen Zeit sehr anstrengend und belastend werden. Gerade dann, wenn Personen nicht einschätzen können, was ein eventuelles Fremd-Outing für Konsequenzen für das weitere Leben haben kann.

Und hier wird ein Widerspruch sichtbar: Während uns die Mehrheitsgesellschaft größtenteils pauschal gewalttätiges Verhalten unterstellt, wirkt sie in ihrer Diskriminierung sogleich selbst gewaltvoll. Dass BDSMler*innen wahrscheinlich mehr über Konsens und Grenzen beim Sex reden als die meisten »Vanillas«, wird dabei verschwiegen. Ein gutes Beispiel dafür ist der Film »Fifty Shades of Grey«, in dem sich die Studentin Anastasia Steele auf die BDSM-Spiele des Unternehmers Christian Grey einlässt. Während sie auf eine tiefere Beziehung und mehr Nähe hofft, möchte er das Verhätlnis von Dominanz und Unterwerfung beibehalten. Der Film wurde von der Mehrheitsgesellschaft regelrecht gehypt, die meisten BDSMler*innen empfanden die dargestellte Beziehung allerdings als überaus gewaltvoll und toxisch. Diese Tatsache sollte eigentlich viele Menschen, die so schnell negativ über uns urteilen, zum Nachdenken anregen.

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