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Am Bogensee läuft die Zeit davon
Viele Nutzungskonzepte für den alten FDJ-Hochschulcampus scheiterten am Geld - in Berlin und Wandlitz ist auch Abriss kein Tabuthema mehr
Im Wald zwischen Prenden und Lanke im brandenburgischen Landkreis Barnim verwittert der Gebäudekomplex der früheren FDJ-Jugendhochschule »Wilhelm Pieck«. Seine Zukunft liegt nach 22 Jahren Leerstand und Verfall im Argen. Europaweit hatte das Land Berlin als Eigentümer das denkmalgeschützte Ensemble ausgeschrieben. In mehreren Bieterverfahren konnte keiner der interessierten Investoren mit seinem Konzept die BIM Berliner Immobilienmanagement GmbH wirtschaftlich überzeugen. Im Zuge einer geänderten Liegenschaftspolitik soll das Gelände, das sich auf dem Gebiet der Gemeinde Wandlitz befindet, mittlerweile in Landesbesitz bleiben. So kommt nur eine Verpachtung oder eine Vergabe im Erbbaurecht infrage. Doch auch unter diesen Bedingungen sind mehrere Vereine mit großen Plänen gescheitert.
Verhindertes Reichsbürger-Eldorado
Zuletzt hatte ein Verein für Aufsehen gesorgt, der 2020 unter dem Namen »Leben & Kreativ Campus Bogensee« (LKC Bogensee) mit einem Konzept für die denkmalgerechte Wiederherstellung und Nutzung aller Gebäude des Campus und den Erhalt der Natur warb. Der Verein, dem auch Bürger aus Wandlitz angehörten, hatte detaillierte Vorstellungen von einem Wohn- und Veranstaltungskomplex. Auf Einladung der BIM habe es im November 2020 ein Gespräch mit dem LKC Bogensee gegeben, nachdem man zuvor von dessen Plänen und dem Werben um Lokalpolitiker und die Presse erfahren hatte, sagt BIM-Sprecherin Johanna Steinke. »Das Gespräch fand aber auf Arbeitsebene und nicht mit der Geschäftsführung statt. Sie haben uns bei dem Termin ihr ›Konzept‹ vorgestellt. Die Frage nach den finanziellen Mitteln konnte nicht wirklich beantwortet werden.« Kurz darauf habe man dem Verein abgesagt. »Danach hatten wir keinen Kontakt mehr.«
Der Bürgermeister von Wandlitz, Oliver Borchert (Freie Bürgergemeinschaft Wandlitz), teilt auf nd-Anfrage mit, dass er selbst von dem Verein zu einem Videotermin eingeladen worden sei, den er aber nicht habe wahrnehmen können. »Sie waren zum Jahreswechsel in einer Sitzung der Gemeindevertretung und haben im Rahmen der Bürgersprechstunde ihr Konzept vorgestellt.« Der dortige Auftritt des damaligen LKC-Projektentwicklers Dirk Schneider sei die »eigentliche Kontaktaufnahme« gewesen.
Inzwischen ist der LKC Bogensee ins Zwielicht geraten. Im August hatte das Nachrichtenportal t-online berichtet, dass sich in dem Verein Reichsbürger des selbst ernannten »Königreichs Deutschland« (KRD) und weitere dubiose Personen breitgemacht und das Sagen hätten. Ihr Ziel sei eine Art »Landnahme«, die Sicherung einer geeigneten Immobilie für ihre Zwecke. Im Fokus ihres Interesses stehe das sogenannte Landhaus von Bogensee. Gemeint ist der »Waldhof«.
Den hatte die sowjetische Militäradministration 1946 der Freien Deutschen Jugend auf Wunsch von Erich Honecker übertragen. Der FDJ-Chef richtete dort schließlich eine »Zentralschule« für antifaschistische Nachwuchskader ein, aus der die Jugendhochschule hervorging. Das Ende April 1945 durch die Rote Arme besetzte Anwesen hatte zuvor NS-Propagandaminister Joseph Goebbels gehört. Auf ihm hatte sich der fanatische Hitler-Verehrer 1940 einen Landsitz errichten lassen. Als die Hochschule 1990 aufgelöst und als Teil der ehemaligen Staatsgüter wieder in das Eigentum des Landes Berlin überführt wurde, zählte auch das heikle Goebbels-Erbe dazu. Der Senat wäre es am liebsten schnell losgeworden und hatte den Abriss erwogen, um keine rechte Kultstätte entstehen zu lassen.
Der LKC Bogensee bestätigt mittlerweile auf seiner Webseite die »Unterwanderung«, um sich zugleich »ausdrücklich vom KRD, von Reichsbürgern, Querdenkern und allen demokratiefeindlichen Gruppierungen und Ansichten« zu distanzieren. Aus dem Rennen ist der Verein dennoch.
Auch von wildem Grün umwuchert, beeindruckt der Campus noch heute mit seinen repräsentativen Bauten, die der DDR-Jugendverband ab 1951 im Stil des Sozialistischen Klassizismus errichten ließ. Die Pläne für das Lektionsgebäude, drei Wohnheime und das Kulturhaus stammen vom Stalinallee-Chefarchitekten Hermann Henselmann.
Ein millionenfressender Albtraum
Bogensee ist für die Berliner Finanzverwaltung eine sehr kostspielige Immobilie, wie Johanna Steinke bestätigt. Rund eine Viertel Million Euro koste es jedes Jahr, allein die Gebäude und Anlagen auf dem 168 500 Quadratmeter großen Areal zu pflegen, zu sichern und zu bewachen. Ein von der BIM veranlasstes Aufmaß der Gebäudedaten als Grundlage für weitere bauliche Planungen erfasste 2570 Räume mit einer Nettogeschossfläche von 42 000 Quadratmetern, verteilt auf 30 Gebäude. Ein Albtraum. Derzeit wird an einigen Gebäuden gearbeitet. »Es handelt sich um Notsicherungsmaßnahmen an Dächern und Fassaden, um das Eindringen von Regenwasser und die Feuchtigkeit zu stoppen«, so Steinke. 1,4 Millionen Euro hatte die BIM 2019 dafür bereitgestellt.
An der Größe des Objekts ist schon der gemeinnützige Internationale Bund für Sozialarbeit gescheitert, der von 1991 bis 1999 auf dem Campus tätig war und eine Ausbildungsstätte mit 300 Plätzen, unter anderem für angehende Köche und Hotelfachleute sowie ein Tagungshotel, betreiben ließ. Am Ende vermietete er nur noch einzelne Räumlichkeiten.
Ein aussichtsreiches Konzept hatte 2015 ein Förderverein vorgelegt, dem in Bogensee eine internationale Akademie nach dem Vorbild der Fernuniversität Hagen vorschwebte. Später ging es dann doch um einen Mix aus Bildung, Tourismus und Gastronomie. Fast fünf Jahre wurde verhandelt, am Ende sagte der BIM-Aufsichtsrat Nein, weil ihn das wirtschaftliche Fundament nicht überzeugte.
Die BIM selbst ließ 2019 in einer Machbarkeitsstudie das Thema Wohnen untersuchen. »Es ist eine mögliche Vision für das Areal«, betont Steinke. »Wohnen und arbeiten in Bogensee, quasi die Entwicklung eines Quartiers, auch unter der Berücksichtigung von sozialen und kulturellen Angeboten, ist in unseren Augen aber die einzige Möglichkeit, das Gelände unter den Aspekten der Wirtschaftlichkeit wieder nutzbar zu machen.« Da geht es um einen Ort für 4000 Menschen.
Bürgermeister Borchert sagt, für ihn sei es wichtig, dass ein staatlicher Akteur »die Hand auf dem Gelände« behalte. »Die Machbarkeitsstudie der BIM hat ja deutlich über 100 Millionen Euro nur für die Sanierung der Bestandsgebäude ausgewiesen.« Für Vereine, hinter denen nicht ein klares Businesskonzept steht, sei das Areal kaum handhabbar.
Gesprächsbereitschaft äußern beide Seiten. Einig ist man sich darin, dass nach all den Jahren sämtliche Optionen auf den Tisch gehören. Dass das auch Abriss bedeuten kann, scheint klar.
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