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- 11. September / Überwachung
Von Otto-Paketen bis Messenger-Diensten
9/11 bescherte Geheimdiensten und Polizei mehr Möglichkeiten der Überwachung. Der Ausbau begann aber schon davor - und er geht weiter
Wenige Tage nach den Anschlägen des 11. September 2001 erklärte der damalige US-Präsident George W. Bush dem Terrorismus den Krieg und meinte damit vor allem Al-Qaida. Der Einmarsch in Afghanistan begann keinen Monat später, nachdem die regierenden Taliban der Aufforderung nicht nachgekommen waren, Osama bin Laden auszuliefern.
Am Tag nach den Anschlägen berichtete Gerhard Schröder, Kanzler der rot-grünen Koalition, dem Bundestag in einer Regierungserklärung, er habe Bush die uneingeschränkte Solidarität Deutschlands zugesichert. Es folgten zügig die sogenannten Otto-Kataloge, mehrere Gesetzespakete des damaligen Innenministers Otto Schily (SPD). Enthalten waren Verschärfungen verschiedener Gesetze, die Ausländer*innen betrafen, aber auch erweiterte Befugnisse für Polizei und Geheimdienste bei der Überwachung, biometrische Merkmale in Pässen und Ausweisen und Erweiterungen beim Datenaustausch. Schon im Oktober warnten Menschen- und Grundrechteorganisationen vergeblich: »Die falsche Antwort auf den 11. September wäre der Überwachungsstaat«, darunter das Grundrechte-Komitee, der Chaos Computer Club und Jurist*innen-Verbände.
Was viele nicht wussten: Bereits vor dem 11. September hatte der damalige Chef des Kanzleramts und heutige Bundespräsident Steinmeier (SPD) gemeinsam mit BND-Präsident August Hanning die Grundlagen gelegt für die später vom US-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden enthüllte technische Massenüberwachung. Im Frühjahr 2002 wurde dann ein folgenschweres »Memorandum of Agreement« unterzeichnet. Die Grundsatzentscheidung des Kanzleramts für eine Kooperation mit den USA zur Durchleuchtung der gesamten Telekommunikation war im Juli 2001 gefallen, aber erst durch den NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestages 2014 bis 2017 wurde bekannt, dass Teil der Vereinbarungen war, dem US-Geheimdienst NSA Zugang zu europäischen Glasfaserkabeln am Netzknoten DE-CIX in Frankfurt zu geben. Das Kanzleramt behauptete später, von den nachweislich illegalen Details nichts gewusst zu haben, und noch während des Untersuchungsausschusses wurden die entsprechenden Gesetze so geändert, dass die durch die Geheimdienste praktizierte Massenüberwachung der Kommunikation inzwischen legal ist.
Zurück zu den Folgen des 11. September: Mit dem Argument der Bekämpfung des internationalen Terrorismus wurde ein Überwachungsgesetz nach dem nächsten verabschiedet, darunter der »Große Lauschangriff« (akustische Wohnraumüberwachung), Rasterfahndung, die Anti-Terror-Datei, Vorratsdatenspeicherung und Online-Durchsuchung, um nur einige zu nennen.
Der typische Ablauf des Gesetzgebungsprozesses, und daran hat sich bis heute nichts geändert, könnte als »Vorwärts, rückwärts, seitwärts, ran« beschrieben werden. Die Bundesregierung legt ein Gesetz vor, dem bereits im Vorfeld von Fachleuten und Zivilgesellschaft die Verfassungswidrigkeit bescheinigt wird. Es wird dennoch vom Bundestag beschlossen - und später vom Verfassungsgericht wieder kassiert. Das beste Beispiel dafür ist die Vorratsdatenspeicherung, 2007 zunächst beschlossen, mehrfach vom Verfassungsgericht gestoppt, inzwischen in der EU angekommen (und gerichtlich gestoppt). Am Montag beginnt die nächste Runde, wenn der Europäische Gerichtshof über gleich fünf Fälle der Vorratsdatenspeicherung verhandelt, darunter auch einer aus Deutschland.
Es wurde und wird nicht nur mit großem Aufwand geklagt, es entstand auch eine Bewegung, die jahrelang unter dem Slogan »Freiheit statt Angst« Protest auf die Straße trug. Laut dem veranstaltenden »AK Vorrat« demonstrierten 2008 in Berlin 100 000 Menschen, die letzte Demo fand 2014 statt.
Es ist eine bittere Ironie der Geschichte, dass zeitgleich mit dem Bekanntwerden der massenhaften Überwachung durch Geheimdienste die Bewegung zerfiel. Dabei wäre spürbarer Protest jetzt so wichtig wie vor 20 Jahren: Aktuell fordern Sicherheitsbehörden immer und immer wieder, endlich sichere Messengerdienste knacken zu dürfen. Machbar wäre dies technisch nur, wenn die Sicherheit für uns alle aufgeweicht würde. Das ist eine Gefahr für die Meinungsfreiheit, weil wir uns anders äußern, wenn wir wissen, dass wir beobachtet werden. Vor allem aber wäre es eine Bedrohung für jene, die am meisten von Sicherheitsbehörden zu befürchten haben: Oppositionelle in repressiven Regimes genauso wie marginalisierte Gruppen im Visier von rechtsradikalen Chatgruppen der Polizei.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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