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Wegschauen bei Betrügereien
In den Behörden, für die Olaf Scholz verantwortlich ist, sind viele Fehler gemacht worden
In der Hamburger Bürgerschaft soll derzeit ein Untersuchungsausschuss aufklären, ob führende Politiker Einfluss auf die steuerliche Behandlung der Warburg Bank genommen haben. Der Fall ist auch heikel für den heutigen Finanzminister und SPD-Kanzlerkandidaten Olaf Scholz. Denn die Vorwürfe beziehen sich auf einen Zeitraum, in dem er Bürgermeister in Hamburg war. Die Stadt wollte der Privatbank M.M. Warburg einen Millionenbetrag aus dubiosen Aktiendeals erlassen, die auch als Cum-Ex-Geschäfte bezeichnet werden. Vertreter der Bank hatten sich mit Scholz getroffen. Es besteht der Verdacht, dass sie im direkten Gespräch mit dem Regierungschef hohe Steuerrückforderungen verhindern wollten.
Doch der Sozialdemokrat meint, sich nicht mehr konkret an diese Treffen erinnern zu können und als Bürgermeister mit vielen Menschen regelmäßig Gespräche geführt zu haben. Man konnte Scholz bislang nicht nachweisen, ob und inwieweit er bei diesem Fall tatsächlich Einfluss genommen hat. Er selbst behauptet, dass das Finanzamt unabhängig entschieden habe. Letztlich musste die Bank die Steuerschulden wegen eines Urteils des Bundesgerichtshofs doch noch überweisen.
Bisher sieht es nicht danach aus, dass der Fall dem Kanzlerkandidaten im Wahlkampf schaden würde. In den Umfragen liegt die SPD vorne und Scholz verzeichnet die höchsten Beliebtheitswerte. Sollten aber die Vorwürfe gegen Scholz stimmen, dann wirft das die Frage auf, ob er der richtige Politiker ist, um die von den Sozialdemokraten viel beschworene Steuergerechtigkeit umzusetzen. Denn in ihrem Wahlprogramm verspricht die SPD: »Gegen Steuerhinterziehung, Steuervermeidung und Steuerbetrug werden wir konsequent vorgehen.« Die Vorfälle in Hamburg nähren hingegen den Verdacht, dass man bei gutem Zureden einer alteingesessenen Bank gerne mal ein Auge zudrückt.
Hinzu kommt, dass die Bilanz von Scholz als Finanzminister beim Kampf gegen Steuerbetrug nicht sonderlich positiv ausfällt. Im vergangenen Jahr betrugen die hinterzogenen Steuern, die festgestellt werden konnten, rund 1,25 Milliarden Euro. Das war der höchste Wert seit 2017. Scholz gab sich in seiner Amtszeit immerhin Mühe, sich als Vorkämpfer gegen diese Delikte zu präsentieren. Im Juni dieses Jahres wies er seine Beamten an, eine weitere CD mit Steuerdaten aus dem Emirat Dubai zu kaufen. Die Kosten betrugen zwei Millionen Euro. Millionen Steuerpflichtige seien betroffen gewesen, darunter Tausende Deutsche, die etwa über Grundstücke und Immobilien in dem Golfemirat verfügten. Eine weitere Antwort von Scholz unter anderem auf den Steuerbetrug war die personelle Aufstockung bei den Zollbeamten.
Nicht sonderlich gut bestellt war es hingegen offenbar um das Personal bei der Bankenaufsicht Bafin. Diese hatte versagt, als die Betrugsvorwürfe gegen Wirecard geprüft wurden. Die Bafin ist dem Finanzministerium von Scholz unterstellt. Der Zahlungsanbieter Wirecard war für einen Milliardenbetrug verantwortlich und musste im Juni 2020 Insolvenz anmelden.
Auch zu Wirecard wurde ein Untersuchungsausschuss eingerichtet. Viele Mitglieder dieses Bundestagsgremiums, die den Oppositionsparteien und der Union angehören, kamen zu dem Schluss, dass Scholz die politische Verantwortung für das Desaster trage. Trotzdem ist dem SPD-Kanzlerkandidaten auch dieser Fall nicht auf die Füße gefallen. Womöglich liegt das daran, dass die Hintergründe von Finanzskandalen in der Regel zu kompliziert sind, als dass sie Einfluss auf das Wahlverhalten vieler Menschen haben.
Dabei wirft eine Razzia vom Donnerstag weitere Fragen zur Eignung von Scholz auf. Staatsanwaltschaft und Polizei rückten zu Durchsuchungen im Bundesfinanz- und im Bundesjustizministerium aus. Hintergrund der Aktion war ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf Strafvereitlung im Amt gegen Verantwortliche der beim Zoll angesiedelten Financial Intelligence Unit (FIU) zur Geldwäschebekämpfung, wie die zuständige Staatsanwaltschaft im niedersächsischen Osnabrück mitteilte.
Die Linksparteichefin Susanne Hennig-Wellsow erklärte hierzu: »Wenn man die für die Bekämpfung der Geldwäsche zuständige Abteilung des Zolls personell und technisch so miserabel ausstattet, dass sie ihre originäre Aufgabe gar nicht erfüllen kann und dieser Missstand über Jahre hinweg bekannt ist, aber dennoch nicht behoben wird, dann kommt das einer Strafvereitelung im Amt gleich. Die politische Verantwortung dafür trägt Olaf Scholz.«
Bei Wirecard, Cum Ex und dem Versagen im Kampf gegen Geldwäsche zeige sich ein Muster. »Olaf Scholz schaut immer dann weg, wenn viel Geld und mächtige Interessen im Spiel sind. Es bleibt der Eindruck, da ist auch nur wieder ein neuer Genosse der Bosse«, so Hennig-Wellsow. Scholz solle für Klarheit und Aufklärung sorgen. Sonst müsse das der nächste Bundestag tun.
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