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Engel mit Scheren
Ehrenamtliche Rocker-Friseure machen Station in Neu-Hohenschönhausen
In wenigen Minuten soll es losgehen in der Jugendkunstschule im Lichtenberger Ortsteil Neu-Hohenschönhausen. Bernd ist fast fertig mit dem Vorbereitungen. Scheren, Rasierer, Haarspray und alle möglichen anderen Utensilien, die man zum Haareschneiden so braucht. Bernd ist Rocker und Chef des Berliner Ablegers der Barber Angels Brotherhood. Was sich grob mit Bruderschaft der Friseur-Engel übersetzen lässt. »Wir brauchen noch fünf Minuten, Ines!«, ruft Bernd.
Ines - das ist die Berliner Linke-Abgeordnete Ines Schmidt, die hier ihren Wahlkreis hat. »Ich bin ja oft bei der Tafel in Lichtenberg, da habe ich die Mädels und Jungs kennengelernt und war von dem Konzept gleich total begeistert«, sagt Schmidt zu »nd«.
An diesem Sonntag schneiden die Rocker-Friseurinnen und -Friseure alleinerziehenden Müttern und ihren Kindern die Haare, ehrenamtlich und umsonst. Übersehen kann man die über 20 Männer und Frauen mit ihren schwarzen Kutten nicht. »Die Berliner Gruppe gibt es seit Anfang 2019, wir sind zur Zeit 24 Angels, die regelmäßig bei Haarschneideaktionen dabei sind,« sagt Bernd zu »nd«.
Der 40-Jährige hat seinen eigenen Salon in Moabit. »Durch die Pandemie sind wir in den letzten eineinhalb Jahren kaum zum Einsatz gekommen, deshalb freuen wir uns umso mehr, dass es jetzt wieder etwas möglich ist«, sagt Bernd. Jetzt noch eine kurze Ansprache. »Ich freue mich, dass wir wieder so viele sind, ich möchte einfach Danke für euren Einsatz sagen,« sagt er zu seinen Haare schneidenden Mitstreiterinnen und Mitstreitern Schubby, Paula Bee, Buddha, Anja und all die anderen, die nur bei ihren Vor- oder Spitznamen genannt werden wollen. Vor der Tür warten schon die Kundinnen. Keine zehn Minutenspäter tobt das Leben in der Freizeiteinrichtung für Kinder, Jugendliche und Familien. Auf Hygienevorschriften und Mundschutz wird dennoch geachtet.
Mehr als 30 Mütter hatten sich und ihre Kinder im Vorfeld für einen Termin bei den Rockern angemeldet. So auch die 16-jährige, Bernds erste Kundin. »Ich weiß noch nicht genau, ob ich lieber die oder die andere Frisur möchte.« Sie zeigt Bernd Bilder auf ihren Smartphone. Nach kurzer Beratung legt Bernd los. »Hier wird jeder als Kunde ernstgenommen«, sagt der Rocker. Und: »Ein ordentlicher Haarschnitt führt dazu, dass man in der Gesellschaft akzeptiert wird.«
Bisher haben die Barber Angels in Berlin vor allem Obdachlosen die Haare geschnitten, ihr Einsatz in Neu-Hohenschönhausen für Mütter und Kinder ist der erste dieser Art in der Hauptstadt. Gegründet 2016 in Baden-Württemberg, hat der Verein inzwischen weit über 100 Mitglieder, über 40.000 Menschen haben sie bereits umsonst die Haare geschnitten. »Ziel aller ersten Einsätze ist die Nachhaltigkeit, die Barber Angels kommen alle drei bis vier Monate wieder«, sagt Bernd.
»Den absoluten Hammer finde ich das hier heute alles, ich habe richtig Gänsehaut«, ruft Linke-Politikerin Ines Schmidt im Vorbeigehen. Und: »Ich bin die einzige Rote unter den ganzen Schwarzen hier.« Lautes Gelächter. »Die Ines ist schon was Besonderes für uns hier, die kümmert sich halt«, sagt eine Mutter.
Schmidt, zugleich frauenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, verweist gegenüber »nd« auf die mit über 40 Prozent extrem hohe Quote Alleinerziehender in der Großwohnsiedlung am Stadtrand. Deshalb sei es auch so wichtig, dass jeder Bezirk eine Koordinierungsstelle für Alleinerziehende bekomme. »Dafür habe ich mich im Abgeordnetenhaus die ganze Zeit starkgemacht«, sagt Schmidt. »Die Koordinierungsstellen wurden extra eingerichtet, damit alle Akteure, die in Lichtenberg mit Alleinerziehenden zu tun haben, vernetzt und Doppelstrukturen vermieden werden«, so die für Lichtenberg zuständige Koordinatorin Norma Schubert zu »nd«.
Mittlerweile hat Barber-Angels-Chef Bernd der 16-jährigen Julia ihren neuen Look verpasst. Julia lächelt. Der Schnitt gefällt ihr.
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